Anhaltende Folgen: Die Auswirkungen einer Noroviren-Infektion spüren wir meist nur wenige Tage, aber diese Viren können auch längerfristige Veränderungen in unserem Körper bewirken. Sie binden zum Beispiel an Bakterien unserer Darmflora und lösen drastische Veränderungen aus: Die Aktivität von einem Viertel der bakteriellen Gene wird verändert und die ausgelöste Stressreaktion verleiht den Bakterien sogar ein faltiges Aussehen, wie ein Forschungsteam herausgefunden hat.
Wenn Viren uns infizieren, nutzen sie unsere Zellen, um sich zu vermehren. Doch Noroviren befallen dabei nicht nur die menschlichen Zellen, sondern interagieren auch mit den Milliarden von Bakterien, die zum Mikrobiom unseres Darms gehören. Denn um Zugang zu ihren Wirtszellen zu erhalten, müssen die Viren zunächst das Mikrobiom des Darms durchqueren, wobei sie zum Teil auch an die Bakterienzellen binden, obwohl diese nicht ihre primären Wirte sind.
Frühere Studien legen nahe, dass diese Interaktion die Schwere einer Virusinfektion und auch die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen kann. Doch was diese Interaktion mit den Bakterienarten anstellt, war bisher unbekannt.
Zwei Arten des Norovirus wurden getestet
Ein Forschungsteam um die Mikrobiologin Chanel Mosby von der University of Florida in Gainesville hat sich nun mit den Auswirkungen einer Noroviren-Infektion auf die Genexpression von Darmbakterien beschäftigt. Dafür infizierten sie zunächst das Darmbakterium Enterobacter cloacae mit dem humanen Norovirus in vitro – in einer kontrollierten Umgebung im Labor. Dieses Darmbakterium war zuvor schon dafür bekannt, von Noroviren gebunden zu werden und die Norovirus-Infektion im menschlichen Wirt zu verstärken.
Zusätzlich untersuchten die Forschenden die Auswirkungen einer Norovirus-Infektion auf die Darmflora eines lebenden Organismus. Dafür infizierten sie Mäuse mit dem murinen Norovirus, einer verwandten Art, welche nur Mäuse befällt.
Genexpression von Darmbakterien verändert
Die Experimente ergaben: In beiden Szenarien veränderte sich die Genexpression der Darmbakterien signifikant. Insgesamt stellten die Forschenden bei rund einem Viertel der Gene eine gestiegene oder verringerte Aktivität fest. Rund die Hälfte dieser Gene reagierte auf beide Arten der Noroviren. Wie Mosby und ihre Kollegen erklären, stellen solche Veränderungen in der bakteriellen Genaktivität meist Reaktionen der Mikroben auf Umweltreize dar – in diesem Fall offenbar das Andocken der Viren.
Zu den von beiden Norovirus-Arten signifikant beeinflussten Genen gehörten unter anderem Gene, die mit Membranstabilität und Vesikelbildung assoziiert sind. Diese veränderte Genexpression hatte zur Folge, dass die Oberflächenstrukturen von E. cloacae stark verändert wurden. „Die Interaktion mit Noroviren resultierte in einer erhöhten Anzahl von Auswüchsen auf der Oberfläche und einem zerzausten Aussehen der Darmbakterien“, erklären Mosby und ihre Kollegen.
Erhöhte Vesikelproduktion als Stressantwort
Die Forschenden gingen dann noch einen Schritt weiter: „Basierend auf der Beobachtung der veränderten Oberfläche der Darmbakterien und der veränderten Genexpression, haben wir die Vesikelproduktion mit und ohne dem Einfluss des Norovirus gemessen“, erläutern sie. Dabei fanden sie heraus: Diese Vesikelproduktion von E. cloacae und zwei anderen kommensalen Bakterienarten war nach einer Interaktion mit sowohl dem humanen als auch dem murinen Norovirus deutlich erhöht.
Das Forschungsteam ordnet die erhöhte Vesikelproduktion als eine Stressantwort der Darmbakterien auf die Bindung des Norovirus ein und sieht diese auch als Auslöser der veränderten Bakterienoberfläche: Die Vesikel werden durch eine Abschnürung der äußeren Membran gebildet, die dann als Bläschen von der Bakterienzelle freigesetzt werden. Eine erhöhte Produktion dieser Vesikel könnte zu dem veränderten Aussehen der Bakterien geführt haben.
Die Vermutung der Forschenden bestätigte sich, als sie einen genaueren Blick auf den Inhalt der Vesikel warfen: Sie enthielten eine deutlich erhöhte Anzahl an Proteinen, die mit bakterieller Stressantwort auf veränderte Umweltbedingungen assoziiert sind.
Darmbakterien könnten Norovirus-Infektion verstärken
Die Bindung des Norovirus an Darmbakterien resultiert also in einer erhöhten Vesikelproduktion und verändert den Proteininhalt und sogar die Größe der Vesikel, welche laut der Forschenden deutlich reduziert war. „Wir spekulieren, dass diese Vesikel als Mechanismus für bakterielle Verstärkung der Noroviren-Infektion funktionieren, indem die den Eintritt der Viren in die Wirtszellen erleichtern.“, erklären Mosby und ihre Kollegen.
Die genaue Rolle der Vesikel als Unterstützer der viralen Replikation in den menschlichen Zellen soll noch in weiteren Studien untersucht werden. (Journal of extracellular vesicles, 2022; doi: 10.1002/jev2.12172)
Quelle: University of Florida