Medizin

Pandemie gefälschter Medikamente

Studie zeigt: Bis zu 41 Prozent aller Arzneimittel weltweit sind Fälschungen

Tabletten können Leben retten - aber nur, wenn sie nicht gefälscht sind. © Feverpitched/ iStock.com

Forscher schlagen Alarm: Bis zu 41 Prozent aller Medikamente weltweit sind inzwischen Fälschungen. Sie enthalten entweder zu wenig oder sogar gar keine wirksamen Bestandteile. Das belegen Analysen von 17.000 Proben gängiger Arzneimittel – vom einfachen Antibiotikum bis zum teuren Krebsmedikament. Nach Schätzungen der Forscher sterben durch solche Fälschungen jedes Jahr bis zu eine Million Menschen.

Das Problem gefälschter Medikamente ist schon länger bekannt: Vor allem in Ländern der Dritten Welt, aber auch in und von Schwellenländern werden häufig Arzneimittel verkauft, die nicht das enthalten, was auf der Packung steht. In Zeiten des Internets ist aber auch bei uns beim Kauf von Mitteln aus dem Ausland Vorsicht geboten. Denn nimmt man ein Mittel ein, dass die falschen oder zu wenig Wirkstoffe enthält, kann dies im schlimmsten Fall sogar tödlich sein.

Weltweite Bestandsaufnahme

Wie viele gefälschte Medikamente aber weltweit im Umlauf sind, ist unbekannt. „Keiner hat eine Ahnung, wie groß das Problem wirklich ist“, sagt Tim Mackey von der University of California in San Diego. „Es gibt zwar Schätzungen, aber es schwer, akkurate Statistiken über kriminelle Machenschaften dieses Ausmaßes zu erhalten.“ Die Globalisierung macht es zudem immer schwieriger, den Arzneimittelhandel lückenlos zu überwachen.

Um zumindest in etwas klareres Bild zu gewinnen, haben gleich mehrere internationale Forscherteams einen ersten Versuch einer Bestandsaufnahme gemacht. In diesem Rahmen analysierten sie unter anderem knapp 17.000 in der ganzen Welt eingekaufte Arzneimittel-Proben auf ihre Inhaltsstoffe. Mackey und sein Team nahmen sich zudem gezielt die Lieferketten vor, in denen man solche Fälschungen am wenigsten erwarten würde: die Zulieferer und Bestände von Krankenhäusern und Apotheken.

Fälschungen selbst in vermeintlich sicheren Lieferketten

Das Ergebnis ist besorgniserregend: Von den weltweit gesammelten und analysierten Proben stellten sich je nach Arzneimitteltyp zwischen neun und 41 Prozent als Fälschungen heraus. Unter den betroffenen Medikamenten waren neben Antibiotika auch Mittel gegen Malaria, Tuberkulose, HIV und sogar Chemotherapeutika gegen Krebs. Eine Forschergruppe berichtet, dass unzureichende Malariamittel allein im Jahr 2013 für den Tod von 122.350 Kindern in Afrika verantwortlich waren.

Die meisten Fälle fanden die Forscher wie erwartet in Ländern mit mittlerem und unterem Pro-Kopf-Einkommen – aber nicht nur: Wie die Studie von Mackey und seinen Kollegen ergab, sind Fälschungen selbst in vermeintlich sicheren und gut überwachten Lieferketten alles andere als selten. Allein von 2009 bis 2011 gab es demnach 1.510 Meldungen von gefälschten Arzneimitteln bei Zulieferern von Krankenhäusern und Apotheken. In vielen Ländern aber fehlen selbst solche Meldungen – nicht weil die Medikamente fehlerlos sind, sondern weil es an Überwachung fehlt.

„Dringender Handlungsbedarf“

„Die Pandemie der gefälschten und unzureichenden Arzneimittel ist allgegenwärtig und wird stark unterschätzt“, sagt Jim Herrington, ehemaliger Leiter der Fogarty International Center der US-National Institutes of Health. Um dagegen anzugehen, bedürfe es dringend einer koordinierten internationalen Reaktion und schärferer nationaler Regelungen. „Wir brauchen dringend eine bessere Zusammenarbeit bei denjenigen, die die nötige Expertise in Wissenschaft, Technologie, Überwachung, Epidemiologie und Logistik besitzen, um die globalen Lieferketten sicherer zu machen“, sagt auch Herringtons Kollege Joel Breman.

Auch neue Analysemethoden könnten dabei helfen, gefälschte Mittel frühzeitig aufzuspüren. Selbst wenn die neueste Technik für Labore in ärmeren Länder wohl eher nicht bezahlbar ist, gibt es aber zumindest für einige Medikamente auch einfache, günstige Überprüfungsmethoden. So lässt sich beispielsweise schon mit einem simplen Teststreifen testen, ob ein Malariamittel den deklarierten Inhaltsstoff in ausreichender Menge enthält. (American Journal of Tropical Medicine and Hygiene, 2015; doi: 10.4269/ajtmh.15-0221 und 16 weitere Paper zu dem Thema)

(NIH/Fogarty International Center/ University of California – San Diego, 21.04.2015 – NPO)

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