Wie oft wiederholen sich große Pandemien wie die Spanische Grippe oder die aktuelle Corona-Pandemie? Das haben Forscher jetzt mithilfe eines Modells und Seuchendaten aus den letzten 400 Jahren ermittelt. Demnach liegt das Risiko für eine neue Pandemie im Corona-Maßstab bei rund zwei Prozent pro Jahr oder einmal alle 56 Jahre. Eine Seuche vom Ausmaß der Spanischen Grippe gibt es einmal alle 400 Jahre. Allerdings: Ausbrüche neuartiger Infektionen nehmen immer weiter zu, so dass auch verheerende Pandemien wahrscheinlicher werden.
Ob die Pest, Ebola, die Spanische Grippe oder die aktuelle Corona-Pandemie: Wenn ein Erreger neu vom Tierreich auf den Menschen überspringt, löst er oft unkontrollierte Ausbrüche aus. Denn die Menschheit ist immunologisch nicht gegen diese Infektionen gewappnet. Je größer die Bevölkerungsdichte und Mobilität, desto weiter kann sich eine solche Epidemie ausbreiten. Forscher warnen zudem schon seit längerem, dass das Risiko für neuartige Pandemien zunimmt, weil der Mensch vermehrt in die Lebensräume von Wildtieren eingreift.
Risiko von der Epidemie-Intensität abhängig
Aber wie hoch ist das Risiko für eine weltumspannende Seuche konkret? Das haben nun Marco Marani von der Universität Padua und seine Kollegen ermittelt. Sie entwickelten dafür ein Modell, in das sie unter anderem Daten zu 395 historischen Seuchenausbrüchen der letzten 400 Jahre einspeisten. Auf Basis der Todesraten, Dauer und betroffenen Bevölkerung berechneten sie, wie oft sich Epidemien einer bestimmten Intensität wiederholen – diese ergibt sich aus dem Anteil der durch die Epidemie Gestorbenen in einer Bevölkerung pro Jahr.
Das Ergebnis: Epidemien folgen in Bezug auf ihre Intensität einer bestimmten Wahrscheinlichkeits-Verteilung. Dabei sind Pandemien mit Millionen Todesopfern wie die Spanische Grippe oder Covid-19 seltener als kleinere, lokale oder regionale Epidemien. Die Wiederholrate variiert daher um mehrere Größenordnungen, wie die Forscher berichten.
Corona alle 59 Jahre?
Allerdings: Pandemien globalen Ausmaßes sind diesem Modell zufolge weniger selten als man allein aufgrund der historischen Daten annahmen würde. So liegt das Risiko für eine neue Seuche vom Ausmaß der Influenza-Pandemie des Jahres 1918 bei 0,3 bis 1,9 pro Jahr. Rein theoretisch heißt das zwar, dass sich eine solche Pandemie mit mehr als 30 Millionen Toten nur einmal pro 400 Jahre wiederholt.
Das aber bedeutet nicht, dass wir nun noch 300 Jahre lang Ruhe haben, wie Koautor Gabriel Katul von der Duke University betont: „Wenn sich heute eine Jahrhundertflut ereignet, liegt ihre Wiederkehr-Wahrscheinlichkeit zwar theoretisch bei 100 Jahren. Aber in der Praxis kann die nächste Jahrhundertflut schon im nächsten Jahr eintreten“, so der Forscher. Ebenso könnte die nächste Pandemie vom Ausmaß der Spanischen Grippe schon bald bevorstehen.
Für einer Seuche mit rund 2,5 Millionen Toten jährlich wie bei der aktuellen Corona-Pandemie liegt die Wiederkehr-Wahrscheinlichkeit immerhin schon bei 59 Jahren. Konkret bedeutet dies, dass ein junger Mensch mit rund 38-prozentiger Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens noch eine solche Seuche erleben wird.
Risiko nimmt immer weiter zu
Deutlich schlechter sieht es allerdings aus, wenn man die Globalisierung und weltweite Mobilität der heutigen Welt mit einbezieht und auch die zunehmend Häufigkeit, mit der neue Erreger vom Tierreich auf den Menschen überspringen. Nach Angaben der Forscher sind neuartige Infektionen in den letzten Jahrzehnten dreifach häufiger aufgetreten als früher. Einige andere Studien gehen sogar von einer Vervierfachung aus.
„Wir stellen fest, dass sich diese Verdreifachung auch in einer Verdreifachung im Risiko extremer Epidemien wiederspiegelt“, konstatieren Marani und seine Kollegen. Das bedeutet: Die theoretische Wiederkehr-Periode von Pandemien wie der Spanischen Grippe sinkt dadurch auf nur noch 127 Jahre. „Wir könnten demnach einen hohen Preis für die Eingriffe des Menschen in natürliche Lebensräume zahlen“, schreibt das Team.
Entsprechend wichtig sei die Überwachung neuartiger Ausbrüche und ein weiterer Ausbau des Seuchenschutzes auf lokaler wie globaler Ebene. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; doi: 10.1073/pnas.2105482118)
Quelle: Duke University