Kein Import aus Asien: Der Pest-Erreger, der in Europa noch bis ins 18. Jahrhundert hinein immer wieder Seuchen auslöste, wurde offenbar nicht ständig neu eingeschleppt. Stattdessen überdauerte der Verursacher der großen mittelalterlichen Pandemie auch danach noch mehr als 300 Jahre lang in Europa – in einem noch unbekannten Wirt, wie gleich zwei Forschergruppen voneinander unabhängig herausfanden. Welcher Wirt das war und warum es diesen Pest-Erreger heute nicht mehr gibt, ist dagegen noch unbekannt.
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Die Pest gehört zu den berüchtigtsten Seuchen der Menschheitsgeschichte. Schon seit der Bronzezeit befällt das Bakterium Yersinia pestis den Menschen und löst, unterstützt durch Umweltbedingungen wie Vulkanausbrüche und Kälteeinbrüche immer wieder Epidemien aus. Allein im Mittealter starb dadurch ein Drittel bis die Hälfte der europäischen Bevölkerung.
Woher kamen die späten Epidemien?
Unklar war jedoch bisher, warum auch nach der großen Pandemie im 14. Jahrhundert immer wieder kleinere Epidemie aufflackerten. Fand der Erreger in Europa ein Reservoir, beispielsweise in die hiesigen Ratten und Flöhen? Oder wurde das Bakterium doch immer wieder aufs Neue aus Asien eingeschleppt, wie es kürzlich eine Studie nachlegte?
Gleich zwei Forschergruppen haben diese Fragen nun erneut untersucht. Für ihre Studie haben Kirsten Bos und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena das Erbgut von Erregern aus Opfern der letzten großen Pest in Marseille 1720 bis 1722 sequenziert und rekonstruiert. Lisa Seifert von der Universität München und ihr Team analysierten das Genom von 30 Pestopfern, die zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert in Deutschland gestorben waren.
300 Jahre in Europa versteckt
Das Ergebnis: Die Erreger auch der späteren Seuchenausbrüche in Europa gleichen genetisch alle dem während der großen mittelalterlichen Pandemie verbreiteten Stamm. „Unsere Ergebnisse legen nah, dass sich die Seuche über mehrere Jahrhunderte irgendwo in Europa versteckte“, berichtet Bos. Rund 300 Jahre lang könnte der Pesterreger in Europa überdauert und immer wieder lokale Ausbrüche verursacht haben.
Seifert und ihre Kollegen kommen zu einem ähnlichen Schluss: „Neben dem wiederholten Einschleppen von Yersinia pestis aus Zentralasien müssen wir von einer langfristigen Persistenz des Erregers in einem noch unbekannten Wirt in Europa ausgehen“, so die Forscher.
Versteck bleibt unbekannt
Wo sich das europäische Pestbakterium damals 300 Jahre lang versteckte, ist allerdings bisher unbekannt. „Es ist ein beunruhigender Gedanke, dass sich Pesterreger einst in Westeuropa, sozusagen gleich um die Ecke, in einem uns noch unbekannten Wirt versteckten“, erklärt Johannes Krause vom Max-Planck Institut für Menschheitsgeschichte. „Zukünftige Forschungen werden uns helfen, den mysteriösen Wirt zu identifizieren und sein Verbreitungsgebiet sowie den Grund für sein Verschwinden ausfindig zu machen.“
Ebenso rätselhaft wie seine Überdauerung bleibt auch das Verschwinden des Pesterregers. Denn im 18. Jahrhundert endete nicht nur die Ära der Pest in Europa, auch der jahrhundertelange in Europa verbreitete Stamm von Yersinia pestis verschwand spurlos. „Zu unserer Überraschung scheint es sich bei der Pest aus dem 18. Jahrhundert um keinen Bakterienstamm zu handeln, der heute noch im Umlauf ist, sondern sie stammt direkt von dem Pesterreger ab, der im Mittelalter in Europa während des Schwarzen Todes wütete“, berichtet Bos‘ Teamkollege Alexander Herbig. (PLOS ONE, 2016; doi: 10.1371/journal.pone.0145194″; doi: 10.7554/eLife.12994)
(PLOS/ Max-Planck-Gesellschaft, 25.01.2016 – NPO)