In der Natur gelten die Pocken als erfolgreich ausgerottet. In zwei Laboren weltweit jedoch werden letzte Virusproben aufbewahrt, um sie für die Forschung nutzen zu können. Doch im Zuge der wachsenden Angst vor Terror mit Biowaffen sollen nun auch die eingelagerten Pockenviren zerstört werden. Um ihr genetisches Material dennoch zu erhalten, haben die russischen Virologen eine besondere Methode gewählt – die Lagerung in Bruchstücken.
Seit Ende der erfolgreichen Ausrottungskampagne der Weltgesundheitsorganisation WHO Anfang der 1980er Jahre werden Erreger der tödlichen Pockenkrankheit nur an zwei Orten in der Welt aufbewahrt: in den Sicherheitslaboren der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im amerikanischen Atlanta und im staatlichen Forschungszentrum für Virologie und Biotechnologie (Vektor) im russischen Nowosibirsk. Doch auch das soll eigentlich nur vorübergehend sein, denn bereits 1986 fasste die WHO den Entschluss, auch diese letzten Kulturen des natürlichen Variola-Virus und ihre DNA zu zerstören.
Für die Medizin und Virologie jedoch ist der Pockenvirus nicht in erster Linie ein gefährlicher „Feind“, sondern vielmehr ein wichtiges Forschungsobjekt, von dem sich die Wissenschaftler wichtige Hinweise für die Bekämpfung auch anderer Viruserkrankungen erhoffen. Sie plädieren dafür, das genetische Material der Viren zu erhalten, da bisher noch nicht einmal die Funktion und Struktur des Virus im Detail aufgeklärt und verstanden sind, und auch die Möglichkeit bestehen sollte, effektivere Diagnose-Methoden zu entwickeln. Damit dies möglich ist, haben russische Forscher nach einer sicheren Methode zur Erhaltung des Virenmaterials gesucht.
Zu Hilfe kam ihnen dabei die Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Mit ihr vermehrten die Wissenschaftler zunächst gezielt verschiedene Teile der Viren-DNA. Da sich diese Fragmente nicht lange lagern lassen, betteten die Forscher sie in Trägermoleküle ein, die wiederum in Zellen von lebenden Escherischia coli-Bakterien eingeschleust wurden. Die Bakterien konservieren diese Vektor-Moleküle nicht nur, sie reproduzieren sie auch bei ihrer Zellteilung, so dass der Bestand erhalten bleibt.
Die Wissenschaftler in Nowosibirsk haben bisher acht Kulturen natürlichen Pockenviren auf diese Weise fragmentiert und konserviert. Ihrer Ansicht nach stellt dies eine sichere und lange Zeit haltbare Methode dar, um die genetische Information des Virus zu konservieren. Bioterroristen hätten, so die Forsche, keinen Nutzen aus den Fragmenten und könnten sie auch nicht zur Herstellung von Biowaffen einsetzen.
(Informnauka (Informscience) Agency, 17.06.2005 – NPO)