Diagnose-Hilfe: Wegen ihrer oft unspezifischen und vielfältigen Symptome sind Spätfolgen einer Corona-Infektion oft schwer eindeutig zu diagnostizieren. Jetzt haben Forschende einen genetischen Biomarker für Long-Covid und Post-Covid entdeckt: Bei Betroffenen sind die epigenetischen Anhänge am Erbgut von weißen Blutkörperchen auf charakteristische Weise verändert. Dies betrifft unter anderem Gene für das Riechsystem, das ACE2-Enzym und auch die Funktion der Mitochondrien.
Auch wenn die Corona-Pandemie weitgehend vorbei ist und das Coronavirus SARS-CoV-2 sich zum endemischen Erkältungserreger wandelt: Patienten mit Post-Covid oder Long-Covid leiden noch immer. Bei ihnen manifestieren sich nach Ende der akuten Infektion Symptome wie Atemnot, Muskelschmerzen, neurologische Ausfälle, Erschöpfung oder sogar das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS). Bisher gibt es für diese Spätfolgen kaum wirksame Behandlungen und auch die Diagnose ist wegen der oft unspezifischen Symptome langwierig.
Das Problem: Bisher ist noch unklar, warum bei einigen Menschen ein Post-Covid-Syndrom auftritt, bei anderen aber nicht. Zudem scheint es verschiedene Formen und möglicherweise auch Auslösemechanismen der postviralen Erkrankung zu geben. Das macht es schwer, eindeutige Biomarker, aber auch wirksame Therapien für Post-Covid zu finden.
Epigenom im Visier
Einen Hinweis auf die Ursachen könnte nun eine Entdeckung von Frida Nikesjö von der Universität Linköping und ihren Kollegen liefern. Sie hatten bereits im letzten Jahr herausgefunden, dass Genesene nach einer akuten Corona-Infektion charakteristische Veränderungen am Epigenom ihrer mononukleären Blutzellen zeigen – den weißen Blutkörperchen und anderen Immunzellen des Blutes. Verändert war die DNA-Methylierung in Form chemischer Anhänge am Erbgut, die das Ablesen und die Aktivität der Gene beeinflussen.
In ihrer aktuellen Studie untersuchten die Forschenden, ob es epigenetische Unterschiede zwischen Genesenen, noch nie mit SARS-CoV-2 infizierten Gesunden und Post-Covid-Betroffenen gibt. Dafür verglichen Nikesjö und ihr Team die DNA-Anhänge der mononukleären Blutzellen von 27 Post-Covid-Patienten, die seit mehr als drei Monaten unter Spätfolgen der Corona-Infektion litten, sowie genesenen und gesunden Kontrollpersonen. Der computergestützte Vergleich umfasste mehr als 850.000 Anlagerungsorte an der DNA.
Zusätzliche DNA-Anhänge bei Post-Covid-Betroffenen
Das Ergebnis: Es zeigten sich tatsächlich signifikante epigenetische Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Verglichen mit den gesunden Kontrollpersonen trugen die Post-Covid-Betroffenen 98 zusätzliche Methylanlagerungen an ihrer DNA, verglichen mit den von Covid-19 Genesenen sogar 197 zusätzliche Methylgruppen. Viele dieser Veränderungen ließen sich dabei spezifischen Genen und Signalwegen zuordnen, die für Covid und Post-Covid eine Rolle spielen.
„Das bestätigt, dass diese epigenetischen Unterschiede tatsächlich physiologisch relevant sind und mit den Symptomen von Post-Covid in Verbindung stehen könnten“, erklärt Nikesjös Kollegin Maria Lerm. Zu den betroffenen Erbgutregionen gehören beispielsweise Gene, die für Signalwege des Riechens und Schmeckens wichtig sind, aber auch solche, die Produktion und Form des Angiotensin-2-Rezeptors (ACE2) kontrollieren – der Hauptandockstelle für das Coronavirus SARS-CoV-2.
Hinweis auf Ursache der Erschöpfung
Interessant auch: Bei den Post-Covid-Betroffenen waren auch DNA-Anhänge an den sogenannten NDUFA-Genen blockiert, die wichtige Enzyme der Mitochondrien regulieren. „Andere Studien haben bereits gezeigt, dass diese Energiekraftwerke der Zelle in Fällen chronischer Erschöpfung in ihrer Funktion gestört sind“, erklärt Lerm. Die epigenetischen Veränderungen könnten demnach erklären, warum viele Post-Covid-Patienten an chronischer Erschöpfung oder dem Chronischen Fatigue-Syndrom leiden.
Und noch eine Parallele zwischen Post-Covid und dem Chronischen Erschöpfungssyndrom entdeckte das Forschungsteam: Auch einige Genregionen, die Rezeptoren für Autoantikörper kodieren, waren epigenetisch verändert. „Dieser Fund einer epigenetischen Modulation der gleichen Rezeptoren bei Post-Covid und ME/CFS ist spannend und wirft die Frage einer möglichen mechanistischen Verbindung auf“, schreiben die Forschenden.
Nikesjö und ihre Kollegen hoffen nun, dass auf Basis ihrer Erkenntnisse bald ein diagnostischer Test entwickelt wird, durch den sich Post-Covid künftig leichter diagnostizieren lässt. Denn bisher fehlt ein solcher Test. (Clinical Epigenetics, 2023; doi: 10.1186/s13148-022-01398-1)
Quelle: Linköping University