Abwarten und Hinschauen: Wird bei einem Mann Prostatakrebs im Frühstadium entdeckt, ist nicht immer gleich eine Operation oder Bestrahlung nötig – im Gegenteil. Eine US-Langzeitstudie bestätigt nun, dass bei den meisten früh erkannten Tumoren eine engmaschige Überwachung ohne Therapie völlig ausreicht. Die Mortalität der Patienten erhöht sich dadurch nicht. Ausnahme seien allerdings aggressive Formen des Prostatakrebses, so die Mediziner.
Prostatakrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen älterer Männer und die dritthäufigste Ursache für Todesfälle. Denn wenn der Tumor erst im Spätstadium erkannt wird, hat er oft schon gestreut. In Deutschland bezahlt die Krankenkasse deshalb bei Männern ab 45 Jahren eine jährliche Vorsorgeuntersuchung. Diese beruht allerdings auf einer Tastuntersuchung – und findet daher Prostatatumoren erst, wenn sie schon fortgeschritten sind.
PSA-Test: Umstrittene Früherkennung
Weitaus früher zeigt der sogenannte PSA-Test die Präsenz von Krebszellen an, denn er detektiert ein Prostata-spezifisches Antigen. Das Problem: Dieser Test schlägt auch bei sehr frühen, wenig aggressiven Formen des Prostatakrebses an. „Rund 70 Prozent von Patienten mit neudiagnostiziertem Prostatakrebs sind in sehr frühem Stadium und haben nichtaggressive Tumore“, erklärt Gerald Andriole von der Washington University in St.Louis.
Diese Tumore wachsen oft so langsam, dass sie bis zum Lebensende des Patienten eigentlich keiner Behandlung bedürfen. Ein erhöhter PSA-Wert kann daher die Betroffenen unnötig beunruhigen – oder sogar überflüssige Eingriffe nach sich ziehen. Unter anderem deshalb wird der PSA-Test bisher bei uns nicht von den Kassen bezahlt. Denn ob der PSA-Test mehr nutzt als schadet, ist umstritten.
Operieren oder abwarten?
Wie Patienten und Ärzte mit einem früh erkannten Prostatatumor umgehen sollten, dazu liefert nun eine US-Langzeitstudien neue Daten. An der PIVOT-Studie nahmen 731 Männer teil, bei denen mittels PSA-Test ein Prostatakrebs diagnostiziert worden war. Ein Teil von ihnen wurde daraufhin klassisch behandelt; der Tumor wurde operativ entfernt, teilweise erfolgte auch eine Strahlentherapie.
Bei den restlichen Patienten jedoch wurde der Tumor nicht entfernt, sondern nur in regelmäßigen Abständen untersucht und so seine Entwicklung überwacht. Eine Behandlung erfolgte nur, wenn die Männer störende Symptome wie Schmerzen oder Probleme beim Wasserlassen entwickelten. Nach gut 20 Jahren werteten die Forscher aus, wie viele Todesfälle durch Krebs oder therapiebedingte Komplikationen es in jeder Gruppe gab.
Meist reicht gute Überwachung
Das Ergebnis: Die Überlebenschancen der Männer waren in beiden Gruppen nahezu gleich. Ob sie direkt nach der frühen Diagnose eine Krebstherapie bekamen oder nicht, wirkte sich kaum auf ihre Mortalität aus. „Unsere Studie bestätigt damit, dass eine aggressive Therapie normalerweise gar nicht nötig ist“, sagt Andriole. „Diese Patienten haben auch ohne OP eine exzellente Prognose.“
Nach Ansicht der Mediziner reicht es daher bei der Mehrzahl der Patienten mit positiven PSA-Werten, aber nur sehr kleinen, wenig aggressiven Tumoren aus, sich einer regelmäßigen Kontrolle zu unterziehen. Dies ermögliche ein ebenso langes Leben, verringere aber das Risiko für operationsbedingte Komplikationen wie Impotenz oder Inkontinenz.
Auf den Krebstyp kommt es an
Es gibt jedoch Ausnahmen, wie die Forscher betonen: „Für Patienten mit aggressiveren Prostatakrebsformen wäre es falsch, eine frühe Operation oder Bestrahlung zu verwerfen“, sagt Andriole. Typischerweise liegt der PSA-Wert bei solchen Tumorformen bei zehn bis 20 Nanogramm pro Liter. Bei der histologischen Untersuchung erreichen die Zellveränderungen einen Gleason-Score von mindestens sieben.
In solchen Fällen raten die Ärzte nach wie vor zu einer schnellen Therapie, um einer Bildung von Metastasen vorzubeugen. Bei Patienten jedoch, die nur leicht erhöhte PSA-Werte und mikroskopisch kleine Tumore haben, sei ein wachsames Abwarten eine schonendere und ebenso effektive Wahl. (New England Journal of Medicine, 2017; doi: 10.1056/NEJMoa1615869)
(Washington University in St. Louis, 13.07.2017 – NPO)