Beim Ziehen an den Fingern knackt’s – aber warum? Diese seit Jahrzehnten strittige Frage haben Forscher nun mit Hilfe von hochauflösenden Kernspin-Aufnahmen gelöst. Sie zeigen in Echtzeit, was beim Knacken im Gelenk passiert. Des Rätsels Lösung: Das Geräusch entsteht, wenn in der Gelenkflüssigkeit plötzlich Hohlräume aufreißen – und nicht, wie bisher vermutet, wenn solche Gasbläschen kollabieren.
Seit Jahrzehnten rätselt man darüber, warum die Fingergelenke knacken, wenn man sie dehnt oder auseinanderzieht. Schon in den 1940er Jahren entdeckten Forscher mit Hilfe von Röntgenaufnahmen, dass dabei in der Gelenkflüssigkeit eine Art Blase oder ein Hohlraum entsteht. Sie vermuteten damals, dass die Bildung dieser Gasblasen für das Knacken verantwortlich ist. Doch 1971 veröffentlichten britische Wissenschaftler eine Gegenthese, die sich bis heute durchgesetzt hat. Demnach ist nicht die Bildung, sondern der Kollaps der Gasbläschen in der Gelenkflüssigkeit die Ursache des Knackens.
Fingerknacken in der Röhre
„Unglücklicherweise existiert aber bisher kein direkter Beleg, der diese unterschiedlichen Ansichten zum Mechanismus des Knackens erhellen könnte“, erklären Gregory Kawchuk von der University of Alberta und seine Kollegen. Denn statische Röntgenaufnahmen reichen nicht aus, um genau zu erkennen, wann das Knacken ausgelöst wird. Um die Frage zu klären, haben die Forscher erstmals das Fingerknacken live im Magnetresonanz-Tomografen (MRT) aufgezeichnet.
Für das Experiment ließ ein Proband zehn verschiedenen Fingergelenke knacken, während seine Hand im MRT analysiert wurde. Die hochauflösenden Video-Aufnahmen zeigen nicht nur, was im Gelenk passiert, sondern auch in Echtzeit, wann ein Hohlraum entsteht und wann es knackt. Die zeitliche Auflösung der Aufnahmen fing noch Prozesse ein, die weniger als 310 Millisekunden dauerten. Dadurch ließ sich das kurze Knacken jeweils einem bestimmten Videoframe zuordnen – und damit auch seine Ursache bestimmen.
Beim Aufreißen knackt es – nicht beim Kollaps
Das Ergebnis war eindeutig: Es knackte nicht dann, wenn die Gasblase im Gelenk kollabierte, sondern schon viel früher: Wenn sie gerade entstand. „Es ist ein bisschen wie bei der Entstehung eines Vakuums“, erklärt Kawchuk. „Wenn die Gelenkoberflächen plötzlich auseinanderweichen, gibt es nicht mehr genügend Flüssigkeit, um den Zwischenraum zu füllen. Daher entsteht ein Hohlraum – und das ist das Ereignis, das das Geräusch verursacht.“
Der Mechanismus, der Knacken verursacht, wird als Tribunucleation bezeichnet. Er beschreibt einen Prozess, bei dem sich berührende Oberflächen einer Trennung bis zu einem bestimmten Punkt widerstehen – sie kleben gewissermaßen aneinander. Dann aber wird eine kritische Schwelle überschritten und ihr plötzliches Loslassen reißt in der Flüssigkeit Hohlräume auf – die im Gelenk beobachtbaren Bläschen.
Damit aber ist die so lange etablierte Theorie der kollabierenden Bläschen wohl endgültig vom Tisch. Denn es knackte im Experiment auch dann, wenn der Hohlraum gar nicht kollabierte, sondern sich nur langsam auflöste.
Rätselhafter weißer Blitz
Die Aufnahmen enthüllten aber auch etwas sehr Unerwartetes: Unmittelbar vor dem Knacken beobachteten die Forscher im MRT-Bild einen weißen Blitz in der Flüssigkeit – eine kurze Zunahme der Helligkeit. „Das ist ein ganz neues Phänomen, das vorher noch niemand beobachtet hat“, so Kawchuk. Er vermutet, dass dieses Signal durch Gelenkflüssigkeit verursacht wird, die unmittelbar vor dem Aufreißen des Hohlraums aus dem Gelenkknorpel austritt und sich im Gelenkspalt verdichtet.
„Wenn das so wäre, dann ließe sich dieses Signal vielleicht sogar als Anzeiger für die Knorpelgesundheit nutzen“, meint der Forscher. Weitere Untersuchungen sind hier aber noch nötig. Sie könnten auch endgültig klären, ob das Fingerknacken den Gelenken schaden kann oder nicht. (PLOS ONE, 2015; doi: 10.1371/journal.pone.0119470)
(PLOS, 16.04.2015 – NPO)