Medizin

Rätsel um undichte Darmnähte gelöst

Darmflora verursacht gefürchtete Komplikation nach Bauch-Operationen

Die Darmflora kann sich bei einer Darm-OP verändern - und das hemmt die Wundheilung. © Nerthuz/ iStock.com

Bei einer Bauch-Operation gab es bisher immer wieder die Komplikation, dass Darmnähte trotz sorgfältigster Nahttechnik wieder aufplatzten. Warum, blieb jedoch rätselhaft. Jetzt hat ein US-Chirurg die Ursache entdeckt. Demnach kann die OP die Darmflora so verändern, dass die Bakterien giftige Substanzen freisetzen und die Wundheilung stören. Auf Basis dieses Wissens kann nun nach einem Gegenmittel gesucht werden.

Wird bei einer OP ein erkranktes Darmstück entfernt, wird der Schnitt per Naht wieder geschlossen. „Technisch ist dies kein Problem, Chirurgen wissen, worauf sie achten müssen“, erklärt Dietmar Lorenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). Doch selbst bei perfekten Nähten kam es immer wieder zu Problemen – die Naht wuchs nicht zusammen.

Freispruch für die Chirurgen

Als Folge kann ein Loch in der Darmwand entstehen, durch das Darminhalt in die Bauchhöhle austritt und dort schwere Infektionen auslöst. Bislang wurden die Ursachen für diese Komplikation auf Seiten der Chirurgen gesucht. „Eine hohe Spannung auf der Naht, Durchblutungsstörungen, fehlerhafte Nahttechniken, ungeeignetes Nahtmaterial und andere mechanische Faktoren galten als Auslöser“, erklärt Lorenz.

Doch nun zeigt sich, dass die Schuldigen im Darm selbst sitzen, wie John Alverdy von der University of Chicago in Tierversuchen herausfand. Demnach verändert die Operation die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm. „Häufig verschwinden die guten Bakterien, die die Wundheilung nicht stören, und die schlechten nehmen dramatisch zu“, erläutert Lorenz. Wie Alverdy feststellte, setzten die „schlechten“ Bakterien Substanzen frei, die den Heilungsprozess des OP-Schnitts im Darm hemmen.

Vorbeugen statt Antibiotika

Das Wissen um die wichtige Rolle der Darmflora für die Wundheilung könnte nun dabei helfen, diesen Komplikationen bei Darm-OPs vorzubeugen. Zwar haben Studien gezeigt, dass diese sogenannte Anastomosen-Insuffizienz durch das Auftragen von Antibiotika verhindert werden kann. Doch wegen der Gefahr von Resistenzen und anderen Problemen sieht Alverdy darin jedoch nicht die endgültige Lösung.

Ziel müsse stattdessen sein, die guten Bakterien im Darm zu fördern und die schlechten zu verdrängen, so der Forscher. Wie dies im Rahmen der OP oder sogar schon davor geschehen kann, das wird zurzeit erforscht. „Durch hochmoderne Forschungsansätze werden wir in Kürze noch viel mehr über diese Vorgänge erfahren“, erwartet Lorenz.

Schließlich werde es möglich sein, das Mikrobiom so zu beeinflussen, dass pathogene Bakterien, die diese Komplikationen verursachen können, unterdrückt werden. „Damit können wir auch den Einsatz von Antibiotika reduzieren und das Problem der multiresistenten Krankenhauskeime besser in den Griff bekommen“, so Lorenz.

(Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e. V., 31.03.2016 – NPO)

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