Medizin

Rauchen blockiert Östrogenproduktion bei Frauen

Mögliche Erklärung, warum Nikotin auf Frauen anders wirkt als auf Männer

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Das Nikotin aus der Zigarette wirkt sich im Gehirn von Frauen auch auf die Hormonproduktion aus. © Skynesher/ iStock

Verblüffender Blockade-Effekt: Die Nikotindosis einer einzigen Zigarette genügt, um im weiblichen Gehirn die Produktion des Hormons Östrogen vorübergehend zu blockieren. Dieser Zusammenhang hat sich in einer Pilotstudie nun erstmals beim Menschen bestätigt, zuvor war dies nur aus Tierversuchen bekannt. Der Blockade-Effekt könnte möglicherweise erklären, warum Frauen anders auf Nikotin reagieren als Männer und zum Beispiel schwerer mit dem Rauchen aufhören können.

Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Nikotinkonsum sind schon länger wissenschaftlich bekannt. Bei Männern ist die Wahrscheinlichkeit, nikotinsüchtig zu werden, etwa doppelt so groß wie bei Frauen. Auf der anderen Seite können Frauen schwerer wieder mit dem Rauchen aufhören als Männer. Sie springen zum Beispiel schlechter auf Nikotinersatztherapien an oder erleben häufiger Rückfälle.

Nikotin wirkt im Gehirn über nikotinische Acetylcholin-Rezeptoren. Seit kurzem wird außerdem eine zusätzliche Wirkungsweise diskutiert, an der Sexualhormone beteiligt sind. Dafür spricht etwa, dass rauchende Frauen oft früher in die Menopause kommen als Nichtraucherinnen. Das könnte, wie sich nun herausgestellt hat, mit der Wirkung des Nikotins auf die Östrogenproduktion zusammenhängen.

Nikotinwirkung im Test

Um diesem Verdacht nachzugehen, haben Erika Comasco von der schwedischen Universität Uppsala und ihre Kollegen eine Studie mit zehn Frauen durchgeführt. In Form von Nasenspray verabreichten sie den Probandinnen eine Nikotindosis, die der einer einzelnen Zigarette entsprach. Zusätzlich injizierten sie ihnen radioaktive Tracer. Diese hingen an einem Molekül, das an das Enzym Aromatase bindet. Aromatase, auch bekannt als Östrogensynthase, ist für die Produktion des Hormons Östrogen verantwortlich.

Die Wirkung des Nikotins auf die Östrogenproduktion untersuchten die Forschenden unter andrem mithilfe von Hirnscans: Magnetresonanztomografie (MRT) und Positronen-Emissions-Tomografie (PET) machten sichtbar, wo im Gehirn die radioaktiv markierte Aromatase vorkam und in welchen Mengen sie dort aktiv war – sowohl ohne als auch mit der Nikotingabe. Parallel testeten sie auch die Hormonausschüttung bei den Frauen durch Blutproben.

Blockade im Thalamus

Das Ergebnis: Die Hirnscans zeigten, dass das für die Östrogensynthese wichtige Enzym vor allem im Zwischenhirn aktiv ist, unter anderem im Thalamus, Hypothalamus und in der Amygdala. Diese zum limbischen System gehörenden Hirnregionen sind wichtige Steuerzentren für das Hormonsystem und viele grundlegende Körperfunktionen. Nach der Nikotingabe veränderte sich das typische Verbreitungsmuster der Aromatase jedoch: Im Thalamus sank die Menge des öströgenproduzierenden Enzyms deutlich – Hinweis auf eine Blockade der Östrogenproduktion in diesem Bereich.

„Zum ersten Mal können wir feststellen, dass Nikotin den Mechanismus der Östrogenproduktion im Gehirn von Frauen ausschaltet. Wir waren überrascht, dass diese Wirkung schon bei einer einzigen Nikotindosis, die einer Zigarette entspricht, zu beobachten war“, sagt Comasco. „Dies ist eine anhand dieser vorläufigen Daten neu entdeckte Wirkung.“

Ähnliche Ergebnisse bei Nagetieren und Pavianen

Die nach der Nikotingabe festgestellte Blockade der Östrogenproduktion passt zu einigen zuvor schon bei Tieren gemachten Beobachtungen. Auch dabei war ein Zusammenspiel aus Suchtmittel und hormonregulierendem Enzym nachgewiesen worden. So hemmte Nikotin bei Nagetierföten und neugeborenen Nagern die Östrogenproduktion. Ein Stoffwechselprodukt des Nikotins, das Cotinin, hatte denselben Effekt.

Ähnliche Ergebnisse zeigte auch ein früheres Experiment an weiblichen Pavianen, wie Comasco und ihr Team berichten. Ein PET-Scan offenbarte, dass Nikotin auch bei ihnen das Enzym Östrogensynthase hemmt. Das geschah allerdings in den Hirnregionen der Amygdala und des Striatums, nicht wie bei Menschen im Thalamus.

Erst der Anfang

Der nächste Schritt besteht nun darin, den Einfluss der hormonellen Wirkung von Nikotin genauer zu erforschen. Denn sie könnte unter anderem erklären, warum Frauen so anders auf das Rauchen reagieren als Männer. Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern beschränken sich nämlich nicht nur darauf, dass Frauen schwerer als Männer mit dem Rauchen aufhören können. Frauen können die Neigung zur Nikotinsucht außerdem eher vererben als Männer und sind häufiger als sie von rauchbedingten Krankheiten wie Lungenkrebs oder Herzinfarkten betroffen.

„Wir müssen nun herausfinden, ob diese Wirkung von Nikotin auf das Hormonsystem an einer dieser Reaktionen beteiligt ist“, so Comasco. (35th European College of Neuropsychopharmacology annual conference 2022)

Quelle: European College of Neuropsychopharmacology

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