Medizin

Rauchen: Eine Packung täglich = 150 Mutationen pro Jahr

Forscher analysieren genetische Folgen des Tabakrauchs

Tabakrauch verursacht auf direktem und indirektem Wege Mutationen in der DNA © iStock.com (Collage)

Erbgutschäden quantifiziert: Erstmals haben Forscher ermittelt, wie viele Mutationen das Rauchen in unserem Erbgut verursacht. Dabei zeigte sich: Wer täglich eine Packung Zigaretten raucht, verursacht allein in seinen Lungenzellen 150 zusätzliche Mutationen pro Jahr. In anderen Organen sind es etwas weniger. Der Tabakrauch erhöht die Mutationsrate dabei sowohl über direkte DNA-Schäden als auch indirekt, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Rauchen ist ungesund – das ist inzwischen sattsam bekannt. Die Inhaltsstoffe des Tabakrauchs machen sie anfälliger für Infektionen, schaden den Gefäßen und beeinträchtigen sogar das Gehirn. Vor allem aber gelten sie als Risikofaktor für 17 verschiedene Krebserkrankungen, allen voran Lungenkrebs. Unter den rund 7.000 verschiedenen Chemikalien im Tabakrauch sind mindestens 70 bekannte Karzinogene.

Folgenreiche DNA-Veränderungen

Das Problem dabei: Diese Substanzen fördern Mutationen im Erbgut – und das wiederum kann Krebs verursachen. „Das Erbgut jedes Krebses liefert uns eine Art archäologischer Aufzeichnung darüber, welche mutationsfördernden Belastungen zu diesem Entarten der Zellen geführt haben“, erklärt Mike Stratton vom Wellcome Trust Sanger Institute in Cambridge.

Um die Rolle des Rauchens bei der Krebsentstehung aufzudecken, haben Stratton und seine Kollegen das Erbgut von 5.200 Tumoren von 17 verschiedenen Krebsarten analysiert. Sie verglichen dabei Zahl und Art der Mutationen bei Rauchern und Nichtrauchern.

150 Mutationen in einer Lungenzelle

Das Ergebnis: Es gibt tatsächlich typische Mutationsmuster in Krebszellen von Rauchern. Je mehr Zigaretten ein Patient geraucht hatte, desto mehr krankhafte Veränderungen fanden die Forscher im Erbgut seiner Tumorzellen. Insgesamt fanden die Wissenschaftler mehr als 20 Mutationsmuster, die typisch für Raucher sind. „Das gibt uns neue Einblicke darin, wie Tabakrauch Krebs hervorruft“, sagt Ludmil Alexandrov vom Los Alamos National Laboratory.

Diese Grafik zeigt, wie viele Mutationen pro Jahr in den ZEllen verschiedener Organe entstehen. Ausgegangen wird dabei von einer Packung Zigaretten täglich. © Genome Research Limited

Besonders extrem war der Effekt des Tabakkonsums bei Lungenkrebs: Raucht jemand jeden Tag eine Schachtel Zigaretten, verursacht dies allein in den Lungenzellen durchschnittlich 150 zusätzliche Mutationen pro Jahr. „Das erklärt, warum Raucher ein so viel höheres Risiko für Lungenkrebs haben“, so Alexandrov. Aber auch bei anderen Krebsarten zeigten sich gehäufte Mutationen. Im Kehlkopf fanden die Forscher 97 Extra-Mutationen pro Zelle, im Rachen 39, im Mund 23, in der Blase 18 und in der Leber sechs.

Direkte und indirekte Effekte

Und noch etwas zeigte sich: Die Effekte des Rauchens auf unser Erbgut sind sehr viel komplexer als bisher angenommen. „Die Ergebnisse enthüllen eine Vielzahl direkter und indirekter Effekte“, berichtet Koautor David Phillips vom King’s College London. Die Inhaltsstoffe des Tabakrauchs wirken demnach auf mindestens fünf verschiedenen Wegen auf die Zellen und das Erbgut ein.

„Mutationen durch direkte DNA-Schäden treten hauptsächlich in Organen auf, die in direkten Kontakt mit dem eingeatmeten Rauch kommen“, erklärt Phillips. Beispiele dafür sind Lungenzellen, die durch solche Mutationen entartet sind. In anderen Organen wirkt das Rauchen hingegen subtiler. Es beeinflusst dort Schlüsselmechanismen, die dann ihrerseits die Mutationsrate im Genom erhöhen. Interessant auch: Die sonst oft durch Umwelteinflüsse veränderten epigenetischen Anlagerungen an der DNA scheinen aufs Rauchen kaum zu reagieren.

„Zuvor hatten wir nur epidemiologische Belege für den Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs. Nun können wir beobachten und quantifizieren, welche molekularen Veränderungen der Zigarettenkonsum im Erbgut auslöst“, sagt Alexandrov. Zu verstehen, wie Krebs bei Rauchern und Nichtrauchern entstehe, könnte künftig auch helfen, ihm besser vorzubeugen. (Science, 20ß16; doi: 10.1126/science.aag0299)

(AAAS/ Wellcome Trust Sanger Institute/ Los Alamos National Laboratory, 04.11.2016 – DAL/NPO)

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