Rätselhafter Chromosomen-Schwund: Bei rauchenden Männern fehlt besonders häufig das
Y-Chromosom in den weißen Blutkörperchen, wie eine Studie nun zeigt. Je stärker sie rauchen, desto höher ist die Verlustrate. Die Zellen können zwar ohne dieses männliche Geschlechts-Chromosom überleben, der Verlust hemmt aber möglicherweise ihren Kampf gegen entartete Zellen. Das könnte erklären, warum männliche Raucher häufiger an bestimmten Krebsarten erkranken, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.
Das Rauchen nicht nur Lungenkrebs fördert, sondern auch sonst nicht gerade gesund ist, haben eine ganze Reihe von Studien inzwischen gezeigt. So fördert Zigarettenrauch Rheuma, schädigt schon beim Passivrauchen die Gefäße und das Nikotin schädigt die Spermien. Auch andere Krebsarten als Lungenkrebs kommen bei Rauchern häufiger vor – und dies besonders häufig bei Männern.
Y-Chromosom fehlt in weißen Blutkörperchen
Warum das so ist, haben nun Lars Forsberg von der Universität Uppsala und seine Kollegen genauer untersucht. Ihr Ausgangspunkt dabei: das Y-Chromosom. Dieses männliche Geschlechtschromosom kommt in allen Körperzellen des Mannes vor, doch wie die Forscher feststellten, geht es bei einigen Männern in den weißen Blutkörperchen verloren. Die Zellen sind trotzdem überlebensfähig, doch Studien deuten darauf hin, dass dieser Verlust das Risiko für einige Krebsarten deutlich erhöht.
In ihrer aktuellen Studie untersuchten die Forscher, wodurch das Y-Chromosom verlorengeht – und ob es einen Zusammenhang zur Lebensweise und zum Rauchen gibt. Dafür werteten sie Bluttests von 6.000 männlichen Probanden danach aus, ob diese noch Y-Chromosomen in ihre Leukozyten besitzen und glichen dies mit dem Lebensstil und möglichen Auslösern wie zu hohem Blutdruck, Diabetes, Alkoholkonsum und Rauchen ab.
Verlust höher bei Rauchern
„Es hat sich gezeigt, dass der Verlust von Y-Chromosomen in den weißen Blutkörperchen bei den Rauchern erheblich häufiger war als bei Nichtrauchern“, berichtet Forsberg. Immerhin bis zu dreimal mehr fand sich der Defekt bei Rauchern. Bei anderen potenziellen Auslösern ließ sich dagegen kein Zusammenhang finden. Dabei war der Y-Chromosomen-Schwund dosisabhängig: Je mehr die Männer rauchten, desto eher gingen diese Chromosomen verloren. „Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass Rauchen für den Verlust der Y-Chromosomen verantwortlich sein könnte“, so Forsberg.
Immerhin: Der Effekt scheint reversibel zu sein: Bei Männern, die schon vor einiger Zeit mit dem Rauchen aufgehört hatten, normalisierte sich der Chromosomensatz in ihren weißen Blutkörperchen wieder, wie die Forscher berichten. Ihre Leukozyten waren genauso vollständig wie die von Nichtrauchern. „Diese Entdeckung könnte ein weiteres Argument dafür sein, mit dem Rauchen aufzuhören“, so Forsberg.
Erklärung für höhere Krebsrate bei rauchenden Männern?
Wie genau der Verlust der Y-Chromosomen mit einer erhöhten Krebsrate zusammenhängt, ist bisher noch unklar. Es könnte aber sein, dass die für die Immunabwehr wichtigen weißen Blutkörperchen durch das fehlende Chromosom nicht mehr so gut gegen entartete Zellen vorgehen können, wie die Forscher erklären. Ob dies tatsächlich so ist, müssen weitere Studien nun klären.
„Sollte das zutreffen, könnten unsere Ergebnissen erklären, warum Rauchen für Männer gefährlicher ist und warum sie generell eine kürzere Lebensspanne haben“, sagt Koautor Jan Dumanski von der Universität Uppsala. Und es sollte gerade Männer dazu animieren, mit dem Rauchen aufzuhören. (Science, 2014; doi: 10.1126/science.1262092)
(Uppsala University, 05.12.2014 – NPO)