Grund zur Sorge: In den letzten Jahren haben Typhus-Bakterien zunehmend neue Antibiotika-Resistenzen entwickelt, wie Genanalysen enthüllen. Die Mutationen machen die Erreger selbst gegen moderne Notfall-Antibiotika immun und breiten sich von Indien ausgehend nun zunehmend weiter aus. Diese Entwicklung sei besorgniserregend, betonen die Forschenden im Fachmagazin „The Lancet Microbe“. Im Extremfall könnte dies dazu führen, dass kein orales Mittel gegen Typhus mehr wirkt.
Mehr als elf Millionen Menschen erkranken weltweit jedes Jahr an Typhus, rund 100.000 sterben daran, vor allem in Südasien und Afrika. Der Erreger dieser bakteriellen Infektionskrankheit, Salmonella enterica serovar Typhi, wird meist über kontaminiertes Wasser oder Nahrung übertragen. Zwar ist die Infektion durch Antibiotika gut behandelbar, allerdings breiten sich zunehmend gegen Antibiotika resistente Stämme aus.
Von Südasien aus in die Welt
Wie stark solche resistenten und multiresistenten Typhusbakterien inzwischen verbreitet sind und wo, haben nun Kesia Esther da Silva von der Stanford University und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie analysierten sie Bakterien-DNA von 3.489 zwischen 2014 und 2019 genommenen Erreger-Proben aus Südasien. Zusätzlich werteten sie 4.169 weitere Proben aus, die aus mehr als 70 Ländern stammten und in den letzten 100 Jahren gesammelt wurden.
Die Analysen enthüllten: Multiresistente Stämme des Typhuserregers, die gegen ältere Antibiotikaklassen immun sind, kursieren in Südasien schon seit Jahrzehnten. Meist entstanden sie in Indien und wurden von dort aus allein seit 1990 mehr als 197-mal in andere Länder und Regionen eingeschleppt, wie das Team berichtet. Am häufigsten waren dabei Übertragungen innerhalb Südasiens oder nach Südostasien, aber auch nach Afrika, Nordamerika und Europa gelangten die resistenten Typhusstämme.
Neue Resistenzen auf dem Vormarsch
Allerdings: Inzwischen breiten sich neben diesen „klassischen“ multiresistenten Typhusbakterien auch neuere resistenten Formen aus. Sie haben Mechanismen entwickelt, die sie auch gegen moderne Antibiotikaklassen wie Cephalosporine, Quinolone und Macrolide immun machen. Schon in den 1990ern gab es demnach Bakterienstämme mit Resistenzen gegen Fluorquinolone. 2010 machten diese bereits 95 Prozent der Tyhpusproben aus Indien, Pakistan und Nepal aus, wie da Silva und ihre Kollegen berichten.
Auch gegen Azithromycin, ein häufig eingesetztes Macrolid-Antibiotikum, sind in den letzten 20 Jahren mindestens sieben Bakterienlinien mit Resistenzen entstanden. Bei den Cephalosporinen identifizierte das Forschungsteam ebenfalls mehrere Stämme mit entsprechenden Resistenzgenen. Wie schon bei den frühen multiresistenten Typhusbakterien haben sich auch diese neuen Linien größtenteils in Indien entwickelt.
„Ein echter Grund zur Sorge“
„Das Tempo, mit dem sich hochgradig resistente Stämme von Salmonella Typhi in den letzten Jahren entwickelt und verbreitet haben, ist ein echter Grund zur Sorge“, betont Seniorautor Jason Andrews von der Stanford University. „Dies unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die Präventionsmaßnahmen auszuweiten und zu intensivieren, vor allem in den am stärksten gefährdeten Ländern.“
Eine besondere Gefahr sehen die Forschenden darin, dass die Typhuserreger die neu erworbenen Resistenzgene untereinander austauschen können. Dadurch können dann Bakterienstämme entstehen, die sowohl gegen ältere Wirkstoffe als auch gegen die neuen Quinolon- und Macrolid-Antibiotika unempfindlich sind. „Solche Organismen würden jeder Behandlung durch etablierte orale antimikrobielle Wirkstoffe ausweichen“, schreiben da Silva und ihre Kollegen. „Das wurde zu vermehrten Krankenhauseinweisungen und erhöhter Morbidität und Mortalität führen.“
Ein globales Problem
Nach Ansicht des Forschungsteams sind ihre Ergebnisse zudem ein klarer Indikator, dass Indien weiterhin ein wichtiger Hotspot für die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen darstellt – hier müsse dringend mehr getan werden. „Die Tatsache, dass sich resistente Stämme des Typhusbakteriums so oft auch international ausbreiten konnten, unterstreicht zudem, dass die Kontrolle von Typhus und der Resistenzen nicht als lokales, sondern als globales Problem gesehen werden muss“, sagt Andrews. (The Lancet Microbe, 2022; doi: 10.1016/S2666-5247(22)00093-3)
Quelle: The Lancet