Verblüffend simple Therapie: Gegen die nachlassende Sehkraft im Alter kann schon eine regelmäßige „Lichtdusche“ mit einer einfachen roten LED helfen – es genügen wenige Minuten täglich, wie eine Pilotstudie belegt. Das rote Licht trägt offenbar dazu bei, die im Alter geschwächten Mitochondrien in den Netzhautzellen mit Energie zu versorgen. Als Folge bessern sich Farbsehen und Sensitivität der Photorezeptoren wieder, wie die Forscher berichten.
Ab etwa 40 Jahren lässt die Sehkraft schleichend nach – nicht wegen eines Grauen Stars oder anderer krankhafter Veränderungen, sondern durch einen ganz natürlichen Alterungsprozess der Netzhaut. Er führt dazu, dass die Mitochondrien der Netzhautzellen immer weniger Energie in Form des Moleküls ATP produzieren. In hohem Alter erhalten die energiehungrigen Retinazellen dadurch bis zu 70 Prozent weniger ATP.
Als Folge nimmt die Leistung der Sehsinneszellen ab. „Wenn man älter wird, lässt das Sehsystem signifikant nach“, erklärt Glen Jeffery vom University College London. „Die Sensitivität der Netzhaut und auch das Farbsehen werden schleichend unterminiert.“ Vor allem die Sehfähigkeit bei schummrigem Licht und die Wahrnehmung schwacher Farbkontraste verringern sich durch diesen Alterseffekt.
Rotes Licht fürs „Aufladen“ der Mitochondrien
Doch dagegen könnte vielleicht schon eine verblüffend einfache Methode helfen, wie nun Jeffery und sein Team herausgefunden haben. Zuvor hatten sie schon in Versuchen mit Fruchtfliegen und Mäusen beobachtet, dass Licht einer bestimmten Wellenlänge die Mitochondrien anzuregen scheint. Bestrahlten sie die Augen der Mäuse mit rotem Licht von 670 Nanometern Wellenlänge, verbesserte dies die ATP-Produktion der Zellkraftwerke.
„Mitochondrien haben spezifische Lichtabsorptions-Merkmale, die ihre Leistung beeinflussen“, erklärt Jeffery. „Längere Wellenlängen von 650 bis 1.000 Nanometern werden besonders gut aufgenommen und erhöhen die Leistung und Energieproduktion der Mitochondrien.“ Um herauszufinden, ob dies auch beim Menschen so ist, haben er und sein Team nun dazu eine Pilotstudie durchgeführt.
Rote LED-Taschenlampe als Therapiemittel
An der Studie nahmen 24 augengesunde Männer und Frauen im Alter von 28 bis 72 Jahren teil. Vor Beginn der Testphase führten die Forscher bei allen Versuchspersonen gründliche Sehtests bei verschiedenen Beleuchtungen durch, um die Leistung der Zapfen und Stäbchen in ihrer Netzhaut zu ermitteln. Die Probanden mussten unter anderem farbige Buchstaben mit sehr geringem Kontrast entziffern oder schwache Lichtsignale im Dunkeln erkennen.
Dann erhielten alle Teilnehmer eine einfache kleine LED-Taschenlampe, die rotes Licht der Wellenlänge 670 Nanometer ausstrahlte. Diese sollten sie täglich drei Minuten lang direkt vor jedes Auge halten. Dabei konnten sie entweder ins Licht hineinschauen oder die Augen schließen. Denn wie die Forscher erklären, dringt das langwellige Licht auch durch das Augenlid bis zur Netzhaut vor. Nach zwei Wochen wurde die Sehfähigkeit der Probanden erneut getestet.
Signifikante Verbesserungen schon nach zwei Wochen
Das Ergebnis: Bei Teilnehmern unter 40 Jahren gab es keine Veränderung, wohl aber bei den älteren. Bei ihnen verbesserte sich die von den Zapfen geleistete Wahrnehmung von Farbkontrasten um bis zu 20 Prozent, wie die Sehtests ergaben. Auch die Sehfähigkeit bei Schummerlicht und damit die Leistung der Stäbchen nahm bei den älteren Teilnehmern signifikant zu, wenn auch etwas weniger stark als das Farbsehen. Besonders ausgeprägt waren die Verbesserungen im blauen Farbspektrum, in dem die Sehfähigkeit im Alter besonders stark nachlässt.
„Unsere Studie zeigt, dass es möglich ist, die Sehfähigkeit bei älteren Personen schon durch kurze Behandlung mit bestimmten Wellenlängen zu verbessern“, sagt Jeffery. „Dies lädt das Energiesystem in den Retinazellen wieder auf – fast wie das Laden einer Batterie.“ Die dafür nötige Technologie sei einfach und sicher. „Unsere LED-Taschenlampen kosten gerade einmal zwölf Pfund, so dass dies für alle erschwinglich wäre.“
Bevor aber nun alle anfangen, in rote Lampen zu schauen, muss die Wirkung der Lichttherapie erst noch in einer Studie mit mehr Teilnehmern überprüft werden. Wichtig ist auch die richtige Dosierung des Lichts. (Journal of Gerontology: Biological Sciences, 2020; doi: 10.1093/gerona/glaa155)
Quelle: University College London