Folgenschwere Therapie: Die Einnahme sogenannter Makrolid-Antibiotika während der Schwangerschaft könnte dem ungeborenen Kind schaden. Wie eine Studie nahelegt, erhöhen die Mittel unter anderem das Risiko für angeborene Herzfehler. Diese Nebenwirkung scheint zwar selten zu sein. Trotzdem raten die Wissenschaftler dazu, die Antibiotika wenn möglich durch Alternativen zu ersetzen – bis genauere Forschungsergebnisse vorliegen.
Der Mutterleib bietet dem ungeborenen Kind eine geschützte Umgebung, um sich zu entwickeln. Trotzdem ist es dort nicht komplett gegenüber schädlichen Einflüssen abgeschirmt. So können Substanzen wie Alkohol, Umwelthormone oder bestimmte Medikamente die Entwicklung des Babys empfindlich stören – und dadurch zu Fehlgeburten, körperlichen Missbildungen oder gesundheitlichen Problemen führen.
Antibiotika unter Verdacht
Jüngst sind auch bestimmte Antibiotika in den Verdacht geraten, ein Risiko für das Ungeborene darzustellen: Sogenannte Makrolide wie Erythromycin oder Clarithromycin werden schwangeren Frauen oft verschrieben. Die Mittel gelten unter anderem als Alternative für Patientinnen mit Penicillin-Allergie. „Makrolid-Antibiotika gehören zu den am häufigsten während der Schwangerschaft verordneten Antibiotika in westlichen Ländern“, erklärt Heng Fan vom University College London.
Inzwischen deuten Studien jedoch darauf hin, dass diese Medikamente zwar gut gegen bakterielle Infektionen wirken, aber bei ungeborenen Kindern das Risiko für Fehlbildungen und neurologische Störungen wie ADHS, Epilepsie oder Zerebralparesen erhöhen. Die wissenschaftliche Datenlage ist bislang allerdings nicht eindeutig.
Makrolide vs. Penicillin
Um dieser Unsicherheit zu begegnen, haben Feng und seine Kollegen sich die Rolle der Makrolide in diesem Zusammenhang nun genauer angesehen. Für ihre Studie werteten sie Daten von 104.605 in Großbritannien geborenen Kindern aus, deren Mütter während der Schwangerschaft ein Makrolid-Antibiotikum oder Penicillin verschrieben bekommen hatten. Als zusätzliche Kontrolle dienten Geschwister dieser Kinder sowie Kinder, deren Mütter vor der Schwangerschaft Antibiotika eingenommen hatten.
Die Analysen ergaben: Bei 186 von 8.632 Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft Makrolide eingenommen hatten, kam es zu Geburtsfehlern. Nachdem die Wissenschaftler den Einfluss anderer Faktoren herausgerechnet hatten, ergab sich im Vergleich zur Penicillin-Einnahme ein erhöhtes Risiko bei einer Einnahme in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten.
Selten, aber schwerwiegend
Dies galt insbesondere für kardiovaskuläre Fehlbildungen zum Beispiel an den Herzventrikeln, aber in geringerem Maße auch für Missbildungen der Genitalien – für letztere zeigte sich auch bei Einnahmen in einem späteren Stadium der Schwangerschaft ein erhöhtes Risiko. Kein Effekt ließ sich dagegen im Hinblick auf andere Fehlbildungen oder neurologische Störungen feststellen, wie das Forscherteam berichtet.
„Diese Arbeit untermauert frühere Befunde, nach denen Makrolide seltene, aber schwere Nebenwirkungen für ungeborene Babys haben können“, konstatiert Fan. „Demnach könnte es durch den Kontakt mit Makroliden statt Penicillin im ersten Trimester zu vier zusätzlichen Fällen kardiovaskulärer Fehlbildungen pro 1.000 Geburten kommen.“
„Mit Vorsicht nutzen“
Feng und seine Kollegen betonen, dass es sich bei ihren Ergebnissen lediglich um Beobachtungen statistischer Zusammenhänge handelt. Ob die Makrolide wirklich die Ursache hinter dem erhöhten Risiko für Geburtsfehler sind, müssen zusätzliche Untersuchungen nun noch bestätigen.
Dennoch sprechen die Wissenschaftler eine Warnung aus: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Makrolide während der Schwangerschaft mit Vorsicht genutzt werden müssen. Wenn möglich, sollten alternative Mittel verschrieben werden, bis weitere Forschungsbefunde zur Verfügung stehen“, so ihr Fazit.
Nicht voreilig absetzen!
Gleichzeitig raten sie Schwangeren jedoch dazu, Antibiotika nicht voreilig abzusetzen und immer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt zu halten. Denn das Risiko für die beobachteten Fehlbildungen ist vergleichsweise gering. „Unbehandelte Infektionen stellen eine viel größere Gefahr für das ungeborene Baby dar“, schließt Fans Kollegin Ruth Gilbert. (The British Medical Journal, 2020; doi: 10.1136/bmj.m331)
Quelle: BMJ/ University College London