Medizin

Schon unsere afrikanischen Ur-Ahnen hatten Tuberkulose

Tuberkel-Bazillus infiziert den Menschen schon seit erstaunlichen 70.000 Jahren

Schon seit 70.000 Jahren unser Begleiter: Mycobacterium tuberculosis © CDC

Die meisten Seuchen entstanden erst, als der Mensch begann, in Siedlungen und Städten zusammen zu leben. Nicht so die Tuberkulose, wie ein internationales Forscherteam jetzt durch Genvergleiche herausgefunden hat: Denn die gefährliche Infektionskrankheit begleitet uns schon fast so lange, wie es Menschen gibt. Sie entstand vor rund 70.000 Jahren in Afrika und breitete sich dann mit dem Homo sapiens über die Welt aus, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Genetics“ berichten.

Obwohl die Tuberkulose bei uns selten geworden ist und auch meist gut behandelt werden kann, gehört sie noch immer zu den tödlichsten Infektionskrankheiten der Menschheit. Vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert starb jeder Fünfte an der „Schwindsucht“, und noch heute fordert die Tuberkulose in den Entwicklungsländern ein bis zwei Millionen Todesopfer pro Jahr. Nicht behandelt führt sie in 50 Prozent der Fälle zum Tode.

Mit der Landwirtschaft kamen die Seuchen

„Damit ähnelt die Tuberkulose typischen Seuchen“, erklären Inaki Comas vom Zentrum für öffentliche Gesundheit in Valencia und seine Kollegen. Solche sogenannten Crowd Diseases sind Infektionen, die relativ viele ihrer Wirte töten und die für ihre Ausbreitung von dichten Menschenansammlungen abhängig sind. Die meisten dieser Krankheiten erschienen daher erst dann, als unsere Jäger-und-Sammler-Vorfahren zu sesshaften Bauern wurden. Sie bildeten dann größere Gemeinschaften und durch den engen Kontakt mit Haustieren sprangen viele Erreger vom Tier auf den Menschen über.

„Auch bei der Tuberkulose ging man bisher davon aus, dass sie einst von Tieren auf uns übersprang“, sagen die Forscher. Nach gängiger Vorstellung sei das mit dem Wandel zur Landwirtschaft vor frühestens 10.000 Jahren erfolgt. Allerdings gebe es einige Fakten, die dabei nicht ins Bild passen. So ist bisher kein Tier bekannt, das dem Tuberkulose-Erreger als Reservoir dient. Außerdem deuten auch genetische Analysen darauf hin, dass die Tuberkulose vielleicht doch noch älter sein könnte als bisher angenommen.

Verblüffende Parallelen im Stammbaum

Um den Ursprung der Infektion aufzuklären, führten Comas und seine Kollegen eine großangelegte Fahndung im Erbgut von Mensch und Mikrobe durch. Sie sequenzierten dazu das Genom von 259 Tuberkulose-Stämmen aus verschiedensten Regionen der Erde und rekonstruierten daraus zunächst die evolutionäre Entwicklung des Erregers Mycobacterium tuberculosis. Diesen Stammbaum verglichen sie dann mit dem der mitochondrialen DNA des Menschen.

Ihre Annahme dabei: Wenn sich das Muster der Verzweigungen und der plötzlichen Verbreiterungen gleicht, spricht dies dafür, dass Mensch und Mikrobe diese Schritte gemeinsam gegangen sind. Und tatsächlich: „Wir haben erstaunliche Ähnlichkeiten beobachtet“, berichten die Forscher. In beiden Stammbäumen fanden frühe Abzweigungen nur innerhalb Afrikas statt. Diese Gemeinsamkeiten begannen bereits vor rund 70.000 Jahren – zu einer Zeit, als sich der anatomisch moderne Mensch gerade erst entwickelt hatte.

Gemeinsam „Out of Africa“

Und es gibt noch weitere Parallelen: Vor rund 67.000 Jahren, als die erste Welle der frühen Menschen Afrika Richtung Asien verließ, zeigt auch der Stammbaum der Tuberkulose-Erreger eine erste größere Verzweigung. Ein zweiter Einschnitt zeige sich vor rund 46.00 Jahren, etwa zu der Zeit als der moderne Mensch begann, sich in Europa auszubreiten. „Wir sehen, dass sich die Vielfalt der Tuberkulose-Erreger immer dann deutlich erhöhte, wenn sich auch die menschliche Population ausbreitete“, erklärt Sebastien Gagneux vom Schweizer Institut für Tropenkrankheiten und öffentliche Gesundheit, einer der Leiter des Projekts.

Die Tuberkulose sei damit nicht nur in der gleichen Region entstanden wie der Mensch, sie habe auch mit ihm gemeinsam die Welt erobert, konstatieren die Forscher. Warum sich die Infektion damals selbst in den kleinen Gruppen der frühen Jäger und Sammler halten konnte, ist noch unklar. Es wäre aber möglich, dass die Krankheit damals weitaus weniger schwerwiegend und tödlich war als heute, mutmaßen die Wissenschaftler.

Der frühe gemeinsame Ursprung zeigt ihrer Ansicht nach auch, dass die Tuberkulose entgegen bisherigen Annahmen nicht von Haustieren auf den Menschen übergesprungen sein kann. „Aus dem einfachen Grund, weil die Krankheit auftauchte, lange bevor der Mensch damit begann, Tiere zu domestizieren“, sagt Gagneux. (Nature Genetics, 2013; doi: 10.1038/ng.2744)

(Nature, 02.09.2013 – NPO)

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