Gestörte Abwehr: Eine salzreiche Kost hemmt offenbar die Immunabwehr. Wie Experimente mit Mäusen und Menschen nahelegen, stört der übermäßige Salzkonsum die Fähigkeit bestimmter Immunzellen, bakterielle Erreger zu bekämpfen. Dabei schwächt das Salz die Immunfunktion gleich auf doppelte Weise. Als Folge verlaufen Infektionen schwerer und heilen langsamer, berichten die Forscher im Fachmagazin „Science Translational Medicine“. Ob dies auch für die Abwehr gegen Viren gilt, ist aber noch unerforscht.
Ob Pommes, Chips oder Cracker: Salzigen Snacks kann kaum ein Mensch widerstehen. Aus biologischer Sicht ist diese Lust auf Salz bis zu einem gewissen Grad durchaus sinnvoll. Denn Natriumchlorid ist ein wichtiger Mineralstoff, den wir unserem Körper täglich von außen zuführen müssen – dabei ist allerdings das Maß entscheidend. Tatsächlich nehmen viele Menschen mehr Salz zu sich als ihnen guttun dürfte.
So kann zu viel Salz bei manchen Menschen den Blutdruck in die Höhe treiben – das fördert Leiden wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Außerdem scheint Salz die Pubertät zu verzögern und unser Gedächtnis zu beeinträchtigen, wie Studien nahelegen. Zunehmend zeichnet sich darüber hinaus ein Einfluss auf das Immunsystem ab. Demnach erhöht eine salzreiche Ernährung womöglich das Risiko für Allergien und Autoimmunerkrankungen. Bei Infektionen mit bestimmten Hautparasiten scheint Salz den Heilungsprozess dagegen sogar zu beschleunigen.
Infektionsverlauf im Blick
„Der Effekt von Salz auf das körpereigene Abwehrsystem wird kontrovers diskutiert und es ist noch immer unklar, wie sich hohe Natriumchloridwerte auf die unterschiedlichen Populationen von Immunzellen auswirken“, erklären Katarzyna Jobin vom Universitätsklinikum Bonn und ihre Kollegen. Um mehr herauszufinden, haben die Forscher nun den Einfluss salzreicher Kost auf den Verlauf bakterieller Infektionen untersucht.
Für ihre Studie fütterten sie Mäuse zunächst eine Woche lang mit übermäßig salzhaltiger Nahrung. Dann beobachteten sie, wie die Nager mit einer von Escherichia coli-Bakterien verursachten Harnwegsinfektion zurechtkamen. Dabei offenbarte sich: Im Vergleich zu Mäusen, die normal oder salzarm ernährt worden waren, verlief die Infektion bei diesen Tieren deutlich schlimmer.
Deutlich mehr Keime im Körper
Ein ähnliches Bild ergab sich bei einer systemischen Infektion mit Listerien – Keimen, die zum Beispiel in verunreinigten Lebensmitteln vorkommen und Fieber, Erbrechen und Blutvergiftungen auslösen können. Wie die Wissenschaftler feststellten, kam das Immunsystem der salzreich ernährten Mäuse messbar schlechter gegen diese Erreger an. Dies zeigte sich insbesondere an der Bakterienlast im Körper: „In Milz und Leber dieser Tiere zählten wir eine 100- bis 1000-fache Menge der krankmachenden Keime“, berichtet Jobin.
Wie aber lässt sich dieser Effekt erklären? Wie das Forscherteam herausfand, spielt die Reaktion der Nieren auf das Salz eine Rolle. Mit Ausnahme der Haut, die als Salzspeicher fungiert, wird überschüssiges Salz im Körper nicht angereichert. Stattdessen filtern die Nieren das Zuviel an Salz heraus und scheiden es über den Urin aus. Diese Ausscheidefunktion wird über einen speziellen Natriumchlorid-Sensor in den Nieren aktiviert.
Gestörte Immunfunktion
Offenbar kommt es dabei jedoch zu einem unerwünschten Nebeneffekt: Im Zuge der erhöhten Salzausscheidung kommt es zu Defiziten bei der Produktion bestimmter Enzyme, die Vorläufersubstanzen der sogenannten Glucocorticoide verarbeiten. Als Folge werden vermehrt Biomoleküle frei, die ähnlich wie das Stresshormon Cortison wirken. Dieses wird in der Medizin traditionell zur Unterdrückung von Immunreaktionen wie Entzündungen eingesetzt.
Die Anreicherung dieser Stoffe könnte die beobachtete Schwächung des Immunsystems somit erklären. Sie scheint die Abwehr gegen Bakterien systematisch zu beeinträchtigen und unter anderem die Entwicklung bestimmter Immunzellen wie den Neutrophilen Granulozyten zu stören, wie das Team berichtet. Diese Immunzellen sind Teil der angeborenen Immunabwehr und stellen den häufigsten Immunzellentyp im Blut dar.
Auf doppelte Weise schädlich
Ein zweiter Effekt hängt damit zusammen, dass die Nieren für die Salzausscheidung vermehrt Harnstoff produzieren. Dieser jedoch hemmt die antibakterielle Aktivität der Neutrophilen, wie Versuche mit Mäusen zeigten. Sie fungieren normalerweise als Fresszellen und attackieren vor allem Bakterien. „Wenn sie das nicht in ausreichendem Maße tun, verlaufen Infektionen weitaus heftiger“, erklärt Jobins Team in einer Mitteilung.
Diese Ergebnisse legen demnach nahe, dass zu viel Salz die körpereigene Abwehr gegen bakterielle Eindringlinge und insbesondere die Arbeit der Neutrophilen gleich auf doppelte Weise sabotiert – einmal durch den Einfluss der Glucocorticoide und einmal durch den Harnstoff.
Ähnlicher Effekt beim Menschen?
Doch gilt dieser Zusammenhang zwischen Salz und Immunfunktion auch beim Menschen? Dies untersuchten die Forscher mit zehn freiwilligen Probanden. Diese ernährten sich für das Experiment so, dass sie täglich sechs Gramm Salz zusätzlich zu sich nahmen. „Das entspricht etwa der Menge, die in zwei Fastfood-Mahlzeiten enthalten ist – also zwei Burgern und zwei Portionen Pommes frites“, sagt Jobins Kollege Christian Kurts.
Nach einer Woche entnahm das Team den Studienteilnehmern Blut und analysierte die Granulozyten daraus. Das Ergebnis: Im Vergleich zu vorher wurden die Immunzellen nun deutlich schlechter mit Bakterien fertig. „Diese Ergebnisse sprechen gegen einen hohen Salzkonsum, vor allem während bakterieller Infektionen“, konstatieren die Wissenschaftler.
Zu viel des Guten
Weitere Untersuchungen sollen nun bestätigen, ob eine salzreiche Kost auch bei menschlichen Patienten mit schwereren Infektionsverläufen in Verbindung steht – und bei welcher Art von Infektionen dieser Effekt besonders von Bedeutung ist. Wird dabei klar, dass sich zu viel Salz tatsächlich messbar negativ auf die Heilung von Infektionen auswirkt, könnte dies die Debatte um das richtige Maß beim Salzkonsum erneut entfachen, so das Fazit der Forscher.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Erwachsene eine Salzzufuhr von maximal fünf Gramm pro Tag – das entspricht in etwa einem gestrichenen Teelöffel. In Deutschland kommen die meisten Menschen auf deutlich mehr: Frauen konsumieren im Schnitt acht Gramm und Männer sogar zehn Gramm Salz täglich. (Science Translational Medicine, 2020; doi: 10.1126/scitranslmed.aay3850)
Quelle: AAAS/ Universität Bonn