Paradox: Ständig werden wir ermahnt, salzärmer zu essen, und jetzt appellieren Forscher an schwangere Frauen, möglichst viel Salz zu essen. Denn wie sie überraschenderweise feststellten, erhöht eine reichliche Salzversorgung während der Schwangerschaft nicht den Blutdruck, sondern senkt ihn. Das aber verringert das Risiko für eine Präeklampsie, eine für Mutter und Kind gefährliche Schwangerschaftskomplikation, wie die Forscher im Fachmagazin „Hypertension“ berichten.
Ein zu hoher Blutdruck während einer Schwangerschaft ist ein großer Risikofaktor für die Gesundheit von Mutter und Kind. Denn er kann eine gefährliche Komplikation, die sogenannte Präeklampsie, auslösen. Sie macht sich bei der Mutter durch vermehrte Eiweiß-Ausscheidung im Urin, Kopfschmerzen, veränderte Leberwerte und Übelkeit bemerkbar. Im Extremfall kann dies gekoppelt mit dem überhöhten Blutdruck sogar zum Tod der Mutter oder aber zu Spätfolgen wie Herzinfarkt, anhaltend hohen Blutdruck und Schilddrüsenerkrankungen führen. Beim Kind kann sie schwere Behinderungen verursachen oder sogar zur Fehlgeburt führen. Eine Therapie oder Vorbeugung gibt es bisher nicht.
Schwangerschafts-Hormon sorgt für Salzhunger
Umso erstaunlicher scheint die Entdeckung von Schweizer Forschern zur Rolle des Salzes in der Schwangerschaft. Schon vorher war bekannt, dass das Hormon Aldosteron bei schwangeren Frauen besonders reichlich produziert wird. Es hält Salz im Körper zurück und sorgt so dafür, dass dadurch das Blutvolumen der Mutter hoch bleibt – das ist wichtig, um das ungeborene Kind versorgen zu können. Während einer Schwangerschaft haben Frauen daher oft einen großen Salzhunger. Bisher aber hieß es, sie sollen ihn im Zaum halten, weil ja Salz nach gängiger Lehrmeinung den Blutdruck erhöhen kann.
Ob das tatsächlich der Fall ist, haben Markus Mohaupt vom Inselspital Bern und seine Kollegen nun untersucht. Für ihre Studie prüften sie sowohl bei schwangeren als auch nichtschwangeren Frauen, wie Blutdruck und Aldosterongehalt auf den Salzkonsum reagieren. Das Ergebnis war überraschend: Bei Schwangeren erhöhte der Salzkonsum zwar wie erwartet den Aldosterongehalt. Gleichzeitig aber sank ihr Blutdruck, statt zu steigen. Bei Nichtschwangeren schien das Salz die Aldosteron-Ausschüttung dagegen sogar zu hemmen.
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Salz als Blutdrucksenker
Um diesen überraschend günstigen Einfluss von Kochsalz zu überprüfen, schlossen die Forscher einen zweiten Vergleichstest an. Dabei verabreichten sie 25 nichtschwangeren und 29 schwangeren Frauen zusätzlich zur normalen Ernährung regelmäßig zusätzliches Kochsalz. Und tatsächlich: Schon nach einer Woche dieser salzreichen Diät beobachteten die Forscher bei nahezu allen schwangeren Frauen eine Blutdrucksenkung. Der Blutdruck bei den nichtschwangeren Frauen stieg dagegen wie erwartet im Schnitt leicht an.
Woher dieser positive Effekt des Salzes kommt, ist bisher unklar, Nach Ansicht der Forscher gäbe es aber zwei Erklärungsmöglichkeiten: Entweder sorgt das bei Schwangeren reichlicher vorhandene Aldosteron für diesen Effekt oder aber das Salz selbst wirkt in der Schwangerschaft aus irgendeinem Grund blutdrucksenkend. Die Wissenschaftler untersuchen zurzeit bereits, ob möglicherweise die Plazenta bei der veränderten Reaktion der werdenden Mütter gegenüber Salz eine Rolle spielt. Klar scheint indes: Wer schwanger ist, darf und sollte reichlich Salz essen. Für alle anderen aber gilt vorerst weiterhin: weniger ist mehr.
(Universitätsspital Bern, 19.12.2013 – NPO)