Das Bakterium Yersinia pestis war tatsächlich der Erreger, der im Mittelalter den „Schwarzen Tod“ über Europa gebracht hat. Die Untersuchung alter Erbsubstanz aus Massengräbern in fünf Ländern enthüllte, dass dabei jedoch zwei bisher unbekannte Varianten des Erregers verantwortlich waren. Die jetzt in „PloS Pathogens“ veröffentlichten Erkenntnisse lassen zudem auf zwei verschiedene Wege der Seuchenausbreitung schließen, einen aus Asien über Frankreich, einen weiteren aus dem Norden über die Niederlande.
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Der „Schwarze Tod“, eine schwere Pestepidemie, raffte im 14. Jahrhundert in Europa ein Drittel der damaligen Bevölkerung dahin, geschätzte 25 Millionen Menschen starben an der Seuche. In Deutschland verlor jeder zehnte Einwohner sein Leben, in den großen Städten der damaligen Zeit noch mehr. Welcher Erreger genau die Epidemie auslöste, war bisher allerdings nicht eindeutig klar.
76 Skelette analysiert
Für die neue Studie wurden 76 menschliche Skelette aus mutmaßlichen Pestgruben aus England, Frankreich, Deutschland, Italien und den Niederlanden untersucht. Während andere Erkrankungen wie beispielsweise Lepra an deformierten Knochen auch lange Zeit nach dem Tod gut erkannt werden können, besteht das Problem bei Pestopfern darin, dass diese Krankheit innerhalb von wenigen Tagen zum Tod führen kann und keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Wenn man Glück hat, konnte sich DNA des Erregers in der Zahnpulpa oder Proteinspuren in Knochen über lange Zeit erhalten. Und selbst dann ist seine Entdeckung schwierig und kann durch eventuelle Kontaminationen verfälscht werden.
Epidemie eindeutig von Yersinia pestis ausgelöst
Das internationale Team unter Leitung von Anthropologin Barbara Bramanti von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist mit den Analysen der alten Erbsubstanz, auch „alte DNA“ oder „aDNA“ genannt, fündig geworden: Zehn Individuen aus Frankreich, England und den Niederlanden zeigten ein Yersinia-pestis-spezifisches Gen. Weil die Proben aus dem italienischen Parma und aus Augsburg kein Ergebnis brachten, wurden sie – erfolgreich – einer anderen Methode unterzogen, der Immunochromatographie, auf der beispielsweise auch Schwangerschaft-Schnelltests basieren.
Die Ergebnisse belegen eindeutig, dass Yersinia pestis für den Schwarzen Tod im 14. Jahrhundert und die folgenden, während 400 Jahren immer wieder aufflammenden Epidemien auf dem europäischen Kontinent verantwortlich ist. Nachdem die Infektion mit Y. pestis eindeutig nachgewiesen war, haben Stephanie Hänsch und Bramanti anhand einer Analyse von rund 20 Markern untersucht, ob eine der bekannten Bakterienvarianten „Orientalis“oder „Medievalis“ vorliegt.
Zwei bisher unbekannte Formen entdeckt
Aber weder die eine noch die andere Variante wurde gefunden, stattdessen zwei unbekannte Formen, die älter sind und sich von den modernen Erregern in Afrika, Amerika, dem Nahen Osten und dem Gebiet der früheren Sowjetunion unterscheiden. Eine dieser beiden Formen, die vermutlich wesentlich zu dem katastrophalen Verlauf der Seuche im 14.Jh. beigetragen haben, ist heute mit großer Wahrscheinlichkeit ausgestorben. Die andere scheint Ähnlichkeiten mit Formen zu zeigen, die vor kurzem in Asien isoliert worden sind.
Über zwei Routen nach Europa
„Unsere Befunde lassen vermuten, dass die Pest über mindestens zwei Kanäle nach Europa eingeschleppt wurde und dann jeweils eine individuelle Route genommen hat“, erklärt Bramanti. Die Forscherinnen zeichnen in ihrer Rekonstruktion der Ereignisse eine Ausbreitungsroute, die von der anfänglichen Einschleppung des Erregers im November 1347 aus Asien nach Marseille über Westfrankreich nach Nordfrankreich bis England verläuft.
Weil im niederländischen Bergen op Zoom ein anderer Typ von Y. pestis gefunden wurde, gehen die beiden Wissenschaftlerinnen davon aus, dass die südlichen Niederlande nicht direkt von England oder Frankreich aus infiziert wurden, sondern von den nördlichen Niederlanden aus. Dies wäre eine andere Infektionsroute, die aus Norwegen kommend über Friesland ihren Weg in die Niederlande genommen hätte. Weitere Untersuchungen sind nötig, um den gesamten Ablauf des Seuchenzugs zu entschlüsseln. „Die Geschichte dieser Pandemie“, so Hänsch, „ist komplizierter, als man bisher gedacht hat.“
(Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 11.10.2010 – NPO)