Emotionaler Gedächtnisinhalt: Forscher haben Strukturen im Gehirn identifiziert, die für das Erinnern von Angst zuständig sind. Demnach spielen offenbar bestimmte Oxytocin-produzierende Neuronen im Hypothalamus eine besondere Rolle dabei. Bestätigt sich dieser Zusammenhang, könnten sich daraus neue Behandlungsansätze für Menschen mit krankhaften Angstzuständen ergeben.
Emotionale Erlebnisse brennen sich besonders stark ins Gedächtnis ein. Das gilt nicht nur für schöne Situationen wie eine Hochzeit, sondern auch für traumatische Erfahrungen – beispielsweise einen Unfall. Dieser gedächtnisfördernde Effekt von starken Gefühlen ist biologisch durchaus sinnvoll. So prägen sich auf diese Weise etwa vergangene Gefahrensituationen besser ein und wir vermeiden sie in Zukunft eher.
Oxytocin-Neuronen im Fokus
Bisher gingen Forscher davon aus, dass Erinnerungen wie diese im Hippocampus entstehen und später im Cortex gespeichert werden. Doch zumindest für mit Angst verknüpfte Gedächtnisinhalte scheint auch der Hypothalamus eine wichtige Rolle zu spielen, wie nun Wissenschaftler um Mazahir Hasan von der Berliner Charité Universitätsmedizin berichten.
Für seine Studie hatte sich das Forscherteam eine Population Oxytocin-produzierender Neuronen in dieser evolutionär alten Hirnregion genauer angeschaut. Denn dieser Botenstoff ist dafür bekannt, emotionale Reaktionen wie Angst zu steuern: Wird Oxytocin ausgeschüttet, können sich vorherige Angstzustände lösen. Doch welche Rolle spielen die Oxytocin-Neuronen für Angsterinnerungen?
Bewegen oder verharren
Dies untersuchten die Forscher bei Experimenten mit Ratten. Mithilfe genetischer Verfahren markierten sie bei den Nagern diese Zellen im Hypothalamus und statteten sie mit einer Art Schalter aus. Auf diese Weise konnten sie die Neuronen schließlich gezielt an- oder ausschalten: Blaulicht aktivierte die Oxytocin-Neuronen, durch die Zugabe einer Chemikalie wurden sie stummgeschaltet.
Im Versuch beobachteten die Wissenschaftler: Wie verhalten sich Ratten, die gelernt haben, eine bestimmte Umgebung mit Angst zu verbinden und in diesem gefährlichen Umfeld regungslos zu verharren? Es zeigte sich, dass eine Manipulation der markierten Zellen die erstarrten Tiere dazu veranlasste, sich zu bewegen.
Neue Behandlungsansätze
Nach Ansicht der Forscher legen diese Ergebnisse nahe, dass die Oxytocin-Neuronen kontextabhängiges Angstverhalten kontrollieren und womöglich auch das Wissen über die Angst enthalten. Weitere Experimente legten zudem nahe, dass die Zellen auch Teil eines Schaltkreises sind, der erforderlich ist, um das Angstgedächtnis wieder zu löschen.
In Zukunft erhoffen sich die Wissenschaftler von ihren neuen Erkenntnissen bessere Möglichkeiten zur Behandlung von pathologischen Angstzuständen und Erkrankungen wie der posttraumatischen Belastungsstörung. (Neuron, 2019)
Quelle: Zentralinstitut für Seelische Gesundheit