Kein Ausgleich: Der schädliche Effekt langen Sitzens lässt sich leider nicht durch das Arbeiten im Stehen ausgleichen, wie eine Langzeitstudie enthüllt. Demnach kann auch häufigeres Stehen das durchs Sitzen erhöhte Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht kompensieren. Hinzu kommt, dass ununterbrochenes Stehen das Risiko für Gefäßerkrankungen wie Thrombosen erhöht. Was folgt daraus für Sitz- und Stehgewohnheiten im Alltag?
Vor dem Computer, dem Fernseher, dem Teller oder hinter dem Lenkrad – unser Lebensstil führt dazu, dass wir viel und lange sitzen. Das kann bekanntlich gesundheitliche Schäden wie Nacken- und Rückenschmerzen oder Herz-Kreislauf-Probleme mit sich bringen. Auch das Risiko für Diabetes, Krebs und einen früheren Tod steigt durch das Vielsitzen. Selbst wer nach langen Sitzphasen noch Sport macht, kann diese negativen Effekte kaum ausgleichen, wie Studien nahelegen.
Immer mehr Menschen versuchen daher, mehr zu stehen und weniger zu sitzen, um diesen Sitzschäden vorzubeugen oder sie auszugleichen. In Büros gibt es entsprechend immer häufiger Stehpulte oder höhenverstellbare Schreibtische. Und auch in anderen Branchen wie dem Einzelhandel können sich Mitarbeiter zunehmend dafür entscheiden, zu stehen, anstatt zu sitzen. Aber hat das auch den gewünschten Effekt?
Langzeitstudie enthüllt Gesundheitsrisiken
Das hat ein Team um Matthew Ahmadi von der University of Sydney überprüft. Dafür analysierten die Mediziner die Gesundheitsdaten von 83.000 Erwachsenen aus Großbritannien, die über einen Zeitraum von sieben Tagen einen speziellen Bewegungstracker am Handgelenk trugen. Dieses Smartwatch-ähnliche Gerät zeichnete auf, wenn sich eine Person beschleunigte, also ihre Position veränderte.
Zu Beginn der Studie waren die Testpersonen gesund und wiesen keinerlei Symptome von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf. Über sieben Jahre hinweg unterzogen Ahmadi und seine Kollegen die Probanden umfangreichen Gesundheitschecks und ermittelten daraus, wie sich diese im Laufe der Zeit änderte, abhängig von den Steh- und Sitzgewohnheiten der Testpersonen.
Sitzen ist ungesund, Stehen aber auch
Die Auswertung ergab, dass die Probanden, die mehr als zwei Stunden am Tag standen, langfristig häufiger Gefäßerkrankungen wie Krampfadern und Venenthrombosen in den Beinen entwickelten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte oder Herzversagen traten bei Vielstehern hingegen nicht häufiger auf. Zugleich traten solche Erkrankungen bei ihnen aber auch nicht seltener auf als bei Menschen, die mehr saßen als standen.
Darüber hinaus bestätigte die Studie frühere Befunde, wonach langes Sitzen von zehn Stunden und mehr am Tag das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie orthopädische Schäden an Muskulatur und Knochen erhöhte.
Wer viel sitzt, schadet demnach seinem Körper. Wer obendrein viel steht, senkt durch das Stehen aber nicht wie erhofft das Risiko für gesundheitliche Probleme durchs Sitzen. Stattdessen schadet dies unserem Körper zusätzlich, wenn auch auf andere Weise als beim Sitzen. „Die wichtigste Erkenntnis ist, dass zu langes Stehen einen ansonsten sitzenden Lebensstil nicht ausgleicht und für manche Menschen in Bezug auf die Kreislaufgesundheit riskant sein kann“, sagt Ahmadi.
Mehr und regelmäßigere Bewegung
Die Mediziner schließen aus diesen Beobachtungen, dass Menschen sich im Laufe eines Tages insgesamt mehr bewegen und weniger lange am Stück sitzen und stehen sollten. Wer beruflich viel sitzen oder stehen muss, sollte daher gezielt Bewegungspausen einplanen und einhalten, um das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verringern, empfehlen die Forschenden.
„Machen Sie regelmäßig Pausen, gehen Sie herum, halten Sie Meetings beim Spaziergang ab, benutzen Sie die Treppe, machen Sie bei langen Fahrstrecken regelmäßige Pausen oder nutzen Sie die Mittagspause, um sich vom Schreibtisch zu lösen und sich zu bewegen“, sagt Seniorautor Emmanuel Stamatakis von der University of Sydney. (International Journal of Epidemiology, 2024; doi: 10.1093/ije/dyae136)
Quelle: University of Sydney