Folgenreiche Belastung: Wird man schon im Mutterleib der umstrittenen Chemikalie Bisphenol A ausgesetzt, könnte dies den späteren Takt der inneren Uhr beeinflussen. Darauf deutet nun ein Experiment mit Mäusen hin: Durch die vorgeburtliche Belastung zeigten die Tiere andere Aktivitätsmuster als ihre nicht mit dem Umwelthormon in Kontakt gekommenen Artgenossen, wie die Forscher berichten. Ob dies auch beim Menschen gilt, muss nun untersucht werden.
Die Umweltchemikalie Bisphenol A (BPA) steckt in vielen Alltagsprodukten – von Wasserflaschen, über Konservendosen bis hin zu Plastikschüsseln und Kassenzetteln. Oft ist diese Substanz Bestandteil von sogenannten Weichmachern, die Kunststoffe flexibel, geschmeidig und elastisch machen sollen. Doch die Chemikalie ist mehr und mehr umstritten.
Der Grund: Als sogenanntes Umwelthormon kann BPA hormonelle Signalwege im Körper stören. Dabei scheinen vorgeburtliche Belastungen bereits im Mutterleib den Grundstein für spätere gesundheitliche Probleme legen zu können. So deuten Studien daraufhin, dass eine pränatale Exposition bei Kindern unter anderem Übergewicht begünstigt.
Den Takt des Körpers im Blick
Deborah Kurrasch von der University of Calgary in Kanada und ihre Kollegen haben sich nun einem weiteren möglichen Effekt einer solchen Belastung gewidmet: Könnte BPA die innere Uhr beeinflussen? „Der Hypothalamus hat sich in früheren Untersuchungen als besonders anfällig für Störungen durch BPA erwiesen“, berichtet die Forscherin.
Da in dieser Hirnregion auch Uhrenzellen sitzen, vermuteten die Wissenschaftler, dass der Kontakt mit der Umweltchemikalie im Mutterleib Einfluss auf die spätere zirkadiane Rhythmik nehmen kann. Ob dies stimmt, beobachteten sie an zwei Gruppen schwangerer Mäuse. Die eine Gruppe bekam während der Schwangerschaft normales, die andere mit geringen Dosen BPA versetztes Futter verabreicht. Wie würde sich dies auf den Nachwuchs der Nager auswirken?
Veränderter Rhythmus bei Mäusebabys
Um dies herauszufinden, wurden die Mäusebabys zwölf Wochen nach der Geburt von den Muttertieren getrennt und einzeln in einer kontrollierten Umgebung gehalten. Dabei waren sie zunächst vier Wochen lang einem Tag-Nacht-Rhythmus mit zwölf Stunden Licht und zwölf Stunden Dunkelheit ausgesetzt. Weitere vier Wochen lebten die Jungtiere in völliger Dunkelheit, die zwischendurch jedoch von einzelnen Lichtpulsen unterbrochen wurde.
Es offenbarte sich: Die Mäuse, die im Mutterleib dem Umwelthormon BPA ausgesetzt gewesen waren, verhielten sich anders als ihre nicht belasteten Artgenossen. Wie die Forscher berichten, waren die täglichen Aktivitätsmuster dieser Tiere verändert und zeitlich verschoben. So zeigten sich die Mäuse an den halb hellen und halb dunklen Tagen zum Beispiel vor allem im letzten Drittel der dunklen Phase sehr aktiv.
Ähnlicher Mechanismus beim Menschen?
In 24-stündiger Dunkelheit wichen die Schlaf-Wach-Zyklen und das Aktivitätsniveau zwischen den beiden Gruppen noch stärker voneinander ab. Dabei schienen sich die mit BPA in Kontakt gekommenen Nager schneller an neue Bedingungen anpassen zu können – sei es der Wechsel vom Hell-Dunkel-Rhythmus zur völligen Dunkelheit oder unerwartete externe Einflüsse wie die Lichtpulse im Dunkeln.
„Insgesamt deuten diese Beobachtungen daraufhin, dass schon eine gering dosierte BPA-Belastung während der Schwangerschaft die zirkadianen Rhythmen unter unterschiedlichen Bedingungen verändern kann“, sagt Kurrasch. Welche Folgen dies für die Tiere hat und ob ein ähnlicher Zusammenhang womöglich auch beim Menschen gilt, müssen weitere Studien allerdings erst noch zeigen. (The Endocrine Society, 2019; Meeting)
Quelle: The Endocrine Society