Medizin

Strompulse helfen bei Glaukom

Wechselstrom-Pulse verbessern die Sehkraft von teilweise erblindeten Patienten

Bei einem Glaukom wird der Sehnervenkopf fortschreitend zerstört - Erblindung ist die Folge. © Snoop, wikipedia.de / CC-by-sa 3.0

Hoffnung für Glaukom-Patienten: Eine neue Stromtherapie kann bei Grünem Star die Sehkraft wieder verbessern – selbst wenn der Sehnerv schon beschädigt ist. Dies gelang Forschern in einer klinischen Studie mittels kleinsten Wechselstrom-Impulsen. Schon nach zehn Tagen besserte sich die Sehfähigkeit der teilweise erblindeten Patienten signifikant, wie die Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten.

Normalerweise gilt der Verlust der Sehkraft durch Grünen Star (Glaukom) als irreversibel. Denn die Erkrankung schädigt durch krankhaft erhöhte Augeninnendruck, aber auch andere Faktoren, den ins Auge mündende Sehnervenkopf. Als Folge schrumpft das Gesichtsfeld der Betroffenen immer weiter und im Extremfall erblinden sie. Der Grüne Star ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für eine Erblindung. Abhilfe schaffen kann nur eine rechtzeitige Behandlung, die der Schädigung des Sehnervs vorbeugt.

Strompulse am Augenrand

Doch jetzt gibt es Hoffnung für diejenige, bei denen das Glaukom schon fortgeschrittener ist: Carolin Gall von der Universität Magdeburg und ihre Kollegen haben erstmals eine neue Therapie in einer großen randomisierten und multizentrischen klinischen Studie getestet. Dafür bekamen 82 Patienten mit Sehnervenschäden Elektroden auf die Haut um die Augen aufgesetzt. Täglich rund 50 Minuten lang wurden ihnen darüber kleinste Wechselstrom-Impulse verabreicht.

Die Hälfte der Patienten erhielt dabei die echte Behandlung mit Strompulsen von acht bis 25 Hertz. Die restlichen Patienten bekamen nur eine Scheinbehandlung von einem Puls pro Minute. Vor Beginn der ersten Behandlung, direkt nach Ende der zehntägigen Therapie sowie zwei Monate danach prüften die Forscher die Sehleistung der Patienten.

Diese Grafik zeigt die Dichte der elektrischen Felder im Sehnerv während der Stromtherapie © Gall et al./ PLOS ONE

Um ein Viertel verbesserte Sehfähigkeit

Das Ergebnis: Die Stromtherapie führte zu signifikanten Verbesserungen des Sehvermögens, wie die Forscher berichten. Bei den mit echten Strompulsen behandelten Patienten besserte sich die Sehfähigkeit um 24 Prozent, in der Kontrollgruppe nur um 2,5 Prozent. Vor allem im zuvor defekten Sektor des Gesichtsfelds gab es Verbesserungen von im Mittel 59 Prozent. Diese Fortschritte blieben auch zwei Monaten nach Ende der Therapie stabil.

„Das ist der weltweit erste Nachweis in einer groß angelegten Studie, dass man mittels geringer elektrischer Ströme klinisch messbare Verbesserungen der Sehfähigkeit erreichen kann“, kommentiert Seniorautor Bernhard Sabel von der Universität Magdeburg. „Die Wechselstrombehandlung ist ein sicheres und wirksames Mittel zur Wiederherstellung von Sehleistungen nach Schädigung des Sehnervs.“

Mobilisierung neuronaler Reserven

Wie aber kommen diese Verbesserungen zustande? Wie die Forscher erklären, trägt der Strom dazu bei, die Ganglien der Netzhaut zu trainieren. Gleichzeitig sorgt die Stimulation dafür, dass die für das Sehen zuständigen Hirnbereiche ihre Aktivität besser koordinieren. EEG-Messungen ergaben, dass die Hirnströme der Patienten in diesen Arealen nach der Therapie synchroner waren.

Zusammen tragen diese Effekte dazu bei, die Restsicht der Patienten zu reaktivieren und zu stärken, so die Forscher. Die Plastizität des Gehirns sorgt dafür, dass zuvor brachliegende neuronale Ressourcen wieder vermehrt und effektiver genutzt werden. Der Vorteil: Nennenswerte Nebenwirkungen hat diese Stimulation nicht. Nur in wenigen Fällen wurde von vorübergehendem, leichtem Schwindel oder Kopfschmerzen berichtet.

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Verlust der Sehkraft, der lange als irreversibel galt, teilweise reversibel ist“, konstatiert Sabel. „Es gibt mehr Licht am Ende des Tunnels für Patienten mit Glaukom oder Schädigung des Sehnervs.“ (PLOS ONE, 2016; doi: 10.1371/journal.pone.0156134)

(Universitätsklinikum Magdeburg, 01.07.2016 – NPO)

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