Wandernde Tinte: In Tätowierungen enthaltene Farbpigmente bleiben nicht ewig in der Haut. Stattdessen lösen sich kleinste Nanopartikel der Körperkunst ab und wandern durch den Organismus. Dort reichern sie sich unter anderem in den Lymphknoten an, wie eine Studie zeigt. Das Problem: Wie sich diese Miniteilchen im Körper verhalten, ist völlig unbekannt.
Ob Arschgeweih oder echte Körperkunst: Tätowierungen liegen im Trend. Schon die Gletschermumie Ötzi schmückte sich vor 5.000 Jahren mit rätselhaften Tattoos in Form von Strichen und Kreuzen – später machten sich auch die Maya und die Maori in Neuseeland fein, indem sie Farbe unter die Haut brachten. Heute hat die Beliebtheit von Tätowierungen einen neuen Höhepunkt erreicht: In Deutschland zieren inzwischen fast jeden zehnten Körper Tinte und Farbpigmente, die unter die Haut gestochen wurden.
Dass das Stechen eine Verletzung der intakten Haut bedeutet und somit ein Infektionsrisiko darstellt, dürfte jedem klar sein. Weniger bekannt ist: Was mit Tattoo-Farben im Körper passiert und wie deren einzelne chemische Bestandteile auf den Organismus wirken, ist bisher noch weitgehend unerforscht.
Der Weg der Tinte
Sicher ist allerdings, dass sich die Pigmente und deren Abbauprodukte an anderen Stellen im Körper wiederfinden können – zum Beispiel in den Lymphknoten. Bei Tattoos in der Nähe dieser „Filterstationen“ sind diese meist genauso bunt wie die Tätowierung selbst. Wahrscheinlich gelangen die Farbpartikel entweder auf passivem Wege über Blut und Lymphflüssigkeit in die Knoten oder sie werden von Immunzellen aktiv dorthin transportiert.
Ines Schreiver vom Bundesinstitut für Risikobewertung und ihre Kollegen haben die Farbpigmente auf Abwegen nun genauer untersucht. Mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse verfolgten sie, was mit gängigen Inhaltsstoffen von Tattoo-Tinte wie dem oft in der Farbe Schwarz enthaltenen Ruß oder dem weißen Pigment Titandioxid passiert, wenn sie erst einmal im Gewebe sind.
Minipartikel in Lymphknoten
Wie erwartet zeigte sich: Zahlreiche Partikel aus den Tätowierungen bleiben nicht in der Haut, sondern wandern durch den Körper und reichern sich im Lymphsystem an. Die eigentliche Überraschung aber: Während die einzelnen Partikel aus der Tattoo-Farbe in der Haut noch eine Größe von mehreren Mikrometern haben, verlassen sie die Tätowierung in einer weitaus kleineren Größenordnung – als Nanopartikel.
Die Farbpigmente werden demnach hauptsächlich in Form dieser Miniteilchen aus der Haut gelöst. „Und das ist ein Problem“, sagt Mitautor Bernhard Hesse vom European Synchrotron in Grenoble. „Denn die Pigmente verhalten sich in Nanogröße möglicherweise ganz anders als auf Mikroebene. Wir wissen nicht, wie sie als Nanopartikel reagieren.“ Der Grund: Zerkleinert bis auf solche Größenordnungen erhalten Stoffe und Verbindungen oft völlig neue chemisch-physikalische Eigenschaften.
Risiken: unklar
Mit ihrer Untersuchung haben die Forscher erstmals detailliertere Einblicke in das Verhalten von Pigmenten aus Tattoo-Farben erlangt. Die Ergebnisse zeigen einmal mehr, dass etliche potenzielle Risiken der Körperkunst nach heutigem Kenntnisstand schlicht noch nicht abgeschätzt werden können. Das Team will in Zukunft deshalb weitere Gewebeproben tätowierter Menschen untersuchen.
Davon erhoffen sie sich, Zusammenhänge zwischen den chemischen und strukturellen Eigenschaften von in Tattoo-Tinte enthaltenen Substanzen und möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen zu erkennen. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-11721-z )
(European Synchrotron Radiation Facility, 13.09.2017 – DAL)