Von wegen gesund und natürlich: Die Präparate der traditionellen tibetischen Medizin enthalten mehr Quecksilber als fast jedes andere bekannte Lebens- oder Arzneimittel. Wer sie einnimmt, konsumiert das hundert- bis tausendfache der normalen Belastung mit diesem Schwermetall, wie eine Studie enthüllt. Selbst Menschen in Quecksilber-Abbaugebieten sind demnach weniger stark kontaminiert als viele Tibeter. Auch andere giftige Schwermetalle wie Arsen und Blei waren in den Präparaten erhöht.
Die traditionelle asiatische Medizin gilt gemeinhin als besonders natürlich und schonend – besteht sie doch meist nur aus Kräutern, Pilzen und mineralischen Bestandteilen. Doch das bedeutet nicht, dass diese Arzneimittel ungefährlich sind – im Gegenteil. Forscher haben unter anderem nachgewiesen, dass eine in der chinesischen Medizin oft eingesetzte Heilpflanzen den Herzrhythmus stört, eine andere kann Leberkrebs auslösen.
Wie es mit der tibetischen Variante der traditionellen asiatischen Medizin aussieht, haben nun Maodian Liu von der Universität Peking und seine Kollegen untersucht. Für ihre Studie analysierten sie sieben in Tibet beliebte und häufige Präparate auf ihren Gehalt an Quecksilber, Blei und sieben weitere Schwermetalle. Sie berechneten zudem, wie viel bei Einnahme der Arzneimittel in den Körper gelangt. Der Hintergrund dafür: Häufig werden tibetischen Arzneimitteln absichtlich schwermetallhaltige Minerale zugesetzt – weil diese als heilsam gelten.
Extrem hohe Quecksilberwerte
Das Ergebnis: Die tibetischen Arzneimittel enthielten deutlich erhöhte Konzentrationen von Quecksilber und anderen Schwermetallen. „Tibeter, die diese traditionellen Mittel regelmäßig einnehmen, sind dadurch chronisch hohen Belastungen ausgesetzt“, konstatieren die Forscher. Im Mittel fanden sie 5.600 Mikrogramm Quecksilber pro Gramm – das entspricht einem Anteil von 0,56 Massenprozent.