Ernährung

Zu viel Protein kann die Blutgefäße schädigen

Übermäßig proteinreiche Ernährung erhöht das Risiko für Arteriosklerose

Proteinriegel
Wenn wir zu viel Protein zu uns nehmen, wird es ungesund. Denn das kann unsere Blutgefäße schädigen. © serts/ iStock

Gut für Muskeln, schlecht für die Arterien: Eine zu proteinreiche Ernährung und der damit verbundene Anstieg der Aminosäure Leucin im Blut kann zu Arteriosklerose führen, wie Forschende anhand von Experimenten mit Mäusen und Menschen herausgefunden haben. Demnach führt ein übermäßiger Proteinkonsum zwar zu mehr Muskelmasse, kann jedoch ab einem bestimmten Schwellenwert auch Immunzellen im Blut stören und so die Blutgefäße und das Herz-Kreislauf-System schädigen. Lebensmittel mit sehr hohem Proteingehalt sind daher eher mit Vorsicht zu genießen.

Proteine zählen neben Kohlenhydraten und Fett zu den Hauptnährstoffen, die wir über unsere Nahrung aufnehmen müssen, um unseren Körper mit der notwendigen Energie zu versorgen. Besonders für den Muskelaufbau benötigen wir Energie aus Proteinen. In westlichen Ländern wie den USA konsumieren die Menschen jedoch im Schnitt deutlich mehr Protein als die von der WHO empfohlene Tagesdosis von elf Prozent der Gesamtkalorien. Vorwiegend ist das Protein dabei tierischen Ursprungs. Viele Lebensmittelhersteller werben sogar mit proteinreichen Produkten und versprechen dadurch eine gesündere Ernährung und purzelnde Pfunde.

Aber zu viel Protein kann unserem Körper auch schaden. Eine Studie aus dem Jahr 2020 deutete darauf hin, dass übermäßiger Proteinkonsum zu Arteriosklerose führen kann. Bei diesem Krankheitsbild verdicken und versteifen die Blutgefäße und erschweren den Blutfluss. Häufige Folge von überhöhter Proteinaufnahme sind daher Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Welcher Mechanismus hinter dieser unerwünschten Wirkung von Proteinen steckt, war jedoch bislang kaum erforscht.

Wie viel Protein ist zu viel?

Ein Team um Xiangyu Zhang von der University of Pittsburgh ist dem nun in verschiedenen Tests nachgegangen. Dafür führten die Biologen und Biomediziner zunächst zwei Experimente mit insgesamt 23 übergewichtigen, aber gesunden Testpersonen durch, die unterschiedlich viel Protein zu sich nahmen. Im ersten Versuch erhielten 14 Probanden nach einer zwölfstündigen Fastenzeit je einen proteinreichen Shake mit 500 Kilokalorien, davon 50 Prozent aus Protein, und an einem anderen Tag einen zweiten Shake mit derselben Kalorienmenge, jedoch nur sehr geringem Proteinanteil von zehn Kalorienprozent.

Im zweiten Versuch erhielten neun Probanden je zwei Mahlzeiten à 450 Kilokalorien, wobei eine Mahlzeit 16 Gramm Protein enthielt (15 Prozent der Kalorien) und die zweite 25 Gramm beziehungsweise einen Proteinanteil von 22 Prozent. In beiden Experimenten nahmen die Forschenden vor sowie ein bis drei Stunden nach den Mahlzeiten beziehungsweise Shakes Blutproben von den Testpersonen. Daraus isolierten sie die Immunzellen und bestimmten die Menge und Zusammensetzung der Aminosäuren im Blut – jenen Molekülen, aus denen alle Proteine aufgebaut sind.

Proteinreiche Ernährung erhöht Leucin-Gehalt im Blut

Dabei stellten Zhang und seine Kollegen fest, dass die Probanden nach den proteinreichen Shakes und Mahlzeiten deutlich mehr Aminosäuren im Blut aufwiesen als nach den proteinarmen Shakes und Mahlzeiten. Vor allem die Konzentration der Aminosäuren Leucin, Isoleucin, Valin, Methionin, Threonin, Serin und Arginin war stark erhöht. Ab einer Proteinmenge von 25 Gramm beziehungsweise 22 Kalorienprozent pro Mahlzeit erhöhte sich demnach der Gehalt bestimmter Aminosäuren im Blut.

Milchprodukte
Proteinreiche Lebensmittel tierischen Ursprungs enthalten besonders viel der Aminosäure Leucin, die für die Schäden an Blutgefäßen verantwortlich ist. © grafvision / iStock

Leucin kommt in großen Mengen in tierischem Eiweiß wie Fleisch, Eiern und Milch vor. Aus früheren Studien ist zudem bekannt, dass diese Aminosäure die sogenannten Monozyten und Makrophagen beeinflusst – Zellen des Immunsystems, die bei Arteriosklerose an der Plaquebildung in den Blutgefäßen beteiligt sind. Die Biologen um Zhang vermuteten daher basierend auf ihren Versuchen, dass eine Mahlzeit mit übermäßigem Proteingehalt und hohem Leucin-Gehalt das Immunsystem stören und so Arteriosklerose auslösen kann.

Zu viel Leucin schädigt die Fresszellen

Um diese Vermutungen zu überprüfen, führten Zhang und seine Kollegen anschließend weitere Versuche an Makrophagen-Zellkulturen von Mensch und Maus sowie an lebenden Mäusen durch. Dabei stellten die Biomediziner fest, dass auch Mäuse bei einer Ernährung mit mehr als 22 Prozent Kalorienanteil aus Proteinen vermehrt die Aminosäuren Leucin, Isoleucin, Valin and Threonin im Blut aufwiesen. Damit bestätigte sich der Befund aus den Versuchen mit Menschen und engte den Kreis der Verdächtigen weiter ein.

Darüber hinaus ergaben die Versuche, dass Leucin die Makrophagen des Immunsystems beeinflusste und zwar deutlich stärker als die anderen der zuvor identifizierten Aminosäuren. Leucin kann den Tests zufolge in den Immunzellen den Genschalter mTOR aktivieren, der viele Zellfunktionen reguliert. Die Aminosäure brachte dadurch die Immunzellen durcheinander, sodass diese ihre natürliche Funktion – die Entsorgung defekter Zellbestandteile im Blut – nicht mehr wie gewohnt erfüllen konnten. Langfristig würde sich der Zellschrott infolgedessen an den Gefäßwänden ablagern und zu Arteriosklerose führen, wie die Forschenden berichten.

Leucin bewirkt Arteriosklerose

In einem weiteren Folgeexperiment erhielten die Versuchstiere eine Ernährung mit normalem Protein-, jedoch erhöhtem Leucingehalt. Das führte bei den Mäusen schon nach acht Wochen zu sichtbarer Arteriosklerose. Dies bestätigt die Annahme, wonach eine proteinreiche Ernährung die Blutgefäße schädigt und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen kann, und verdeutlicht, dass dahinter tatsächlich der Proteinbestandteil Leucin steckt, so die Wissenschaftler.

„Unsere Studie zeigt, dass die Erhöhung der Proteinaufnahme im Streben nach einer besseren Stoffwechselgesundheit und mehr Muskeln kein Allheilmittel ist. Sie könnten Ihren Arterien damit echten Schaden zufügen“, warnt Seniorautor Babak Razani von der University of Pittsburgh und ergänzt: „Es ist wichtig, die Ernährung als Ganzes zu betrachten und ausgewogene Mahlzeiten vorzuschlagen, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht unbeabsichtigt verschlimmern, insbesondere bei Menschen mit einem bereits bestehenden Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen.“

Pflanzenprotein könnte gesünder sein als tierisches Eiweiß

Um die Vor- und Nachteile einer proteinreichen Ernährung genauer zu verstehen und gegeneinander abzuwägen, seien jedoch weitere Forschungen nötig. Diese müssten dann auch klären, wo genau der Schwellenwert für einen übermäßigen und damit schädlichen Proteinkonsum liegt. Den Tests zufolge liegt dieser Wert zwischen 15 und 22 Kalorienprozent – könnte sich bei tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln aber auch unterscheiden. Die Studie legt zumindest nahe, dass Pflanzenproteine mit geringerem Leucin-Gehalt gesünder sind als tierisches Eiweiß. (Nature Metabolism, 2024; doi: 10.1038/s42255-024-00984-2)

Quelle: Nature, University of Pittsburgh

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