Medizin

Ultraschall weckt Wachkoma-Patienten

Stimulation des Thalamus verbessert Bewusstseinszustand auch bei chronischem Wachkoma

Thalamus
Der Thalamus gilt als der "Torhüter" unseres Bewusstseins. Deshalb versuchen Mediziner, Komapatienten durch seine Stimulation wieder zu wecken. © decade3d/ iStock.com

Hoffnung für Komapatienten: Ein gezielter Ultraschall-Beschuss des Gehirns könnte einige Komapatienten zurück ins Bewusstsein holen. US-Medizinern ist es damit gelungen, zwei von drei jahrelang im Wachkoma liegenden Patienten wieder zu wecken. Innerhalb weniger Tage bis Wochen waren diese wieder ansprechbar und konnten Objekte halten. Auslöser dafür war eine Stimulation des Thalamus, einem Hirnareal, das als Zentrum des Bewusstseins gilt.

Wenn die Blutversorgung des Gehirns durch einen Unfall oder einen Schlaganfall gestört wird, kann ein Koma die Folge sein – ein Verlust des Bewusstseins. Ein Großteil der Hirnfunktionen fällt aus und im tiefen Koma funktionieren selbst einige Reflexe nicht mehr. Beim Wachkoma bleiben dagegen einige Funktionen des Stammhirns und Zwischenhirns erhalten. Dadurch haben die Patienten zwar die Augen offen und zeigen unwillkürliche Bewegungen, reagieren aber kaum auf Reize ihrer Umgebung.

Ultraschall
Für die Stimulation des Thalamus wird ein Ultraschallgenerator an den Kopf angelegt, der einen fokussierten Kegel von Schallpulsen erzeugt. © Martin Monti/ UCLA

Doch möglicherweise gibt es einen Weg, um zumindest einige Wachkoma-Patienten aus ihrem Dämmerzustand zu holen. Bereits 2016 war es einem US-Forscherteam gelungen, einen 25-jährigen Mann durch gezielte Hirnstimulation per Ultraschall aus dem Wachkoma zu wecken. Sie hatten dafür den Thalamus des Patienten durch fokussierte Beschallung gereizt – das Hirnareal, das als „Torhüter“ des Bewusstseins gilt. Auch Affen sind durch eine Stimulation des Thalamus schon aus dem Koma geholt worden.

Ultraschall-Test bei chronischen Wachkoma-Patienten

Jetzt berichtet das Team um Martin Monti von der University of California in Los Angeles von weiteren Erfolgen. Während ihr Patient von 2016 erst kurz im Wachkoma lag, haben sie nun die Ultraschall-Stimulation bei drei Patienten getestet, die schon mehrere Jahre bewusstlos waren. „Bei solchen chronischen Patienten ist es eine spontane Genesung viel unwahrscheinlicher und wenn dies geschieht, dann dauert es typischerweise mehrere Monate bis Jahre“, erklärt Monti.

Für die Therapie wurde ein scheibenförmiger Ultraschall-Sender seitlich an den Kopf des Patienten angelegt. Dieser fokussierte zehn jeweils 30-sekündige Einheiten mit Ultraschallpulsen von 650 Kilohertz punktgenau auf den Thalamus. Die Patienten waren ein 58-jähriger Mann, der nach einem Autounfall fünfeinhalb Jahre lang im Wachkoma lag, eine 50-jährige Frau, die seit einem Herzstillstand vor zweieinhalb Jahren in diesem Zustand war und ein 56-jähriger Mann, der 14 Monate zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte.

Wieder ansprechbar schon nach wenigen Tagen

Nach der Behandlung besserte sich der Zustand von zwei der drei Wachkoma-Patienten deutlich. Schon nach der ersten Beschallung reagierte der 56-jährige Mann auf Fragen mit Kopfschütteln oder Nicken und blickte Fotos von Angehörigen bei Namensnennung gezielt an. Eine Woche später konnte er einen Ball greifen, einen Stift auf Papier bringen und eine Trinkflasche zum Mund führen, wie die Forscher berichten.

Auch die 50-jährige Frau sprach auf die Ultraschall-Therapie an: Wenige Tage nach der ersten Behandlung konnte sie zum ersten Mal seit Jahren Alltagsobjekte erkennen. Sie reagierte zudem auf Ansprache und bewegte beispielsweise den Kopf oder ihre Finger auf entsprechende Bitten hin. „Diese Verhaltensweisen sind diagnostische Marker für eine Wiederkehr des Bewusstseins“, erklärt Monti. Der dritte Patient sprach allerdings nicht auf die Ultraschall-Behandlung an, sein Zustand besserte sich nicht signifikant, wie die Wissenschaftler berichten.

Kleine Schritte auf dem Weg zum Bewusstsein

Dennoch sehen Monti und sein Team ihre Ergebnisse als sehr vielversprechenden Anfang. „Bemerkenswert ist, dass beide Patienten schon wenige Tage nach Beginn der Intervention sinnhafte Reaktionen entwickelten“, sagt Monti. „Das hatten wir zwar erhofft, aber es ist erstaunlich, dies mit eigenen Augen zu sehen.“ Angesichts des Tempos, mit dem sich der Zustand der Patienten verbesserte, hält er es für sehr unwahrscheinlich, dass dies auf eine spontane, zufällige Besserung zurückzuführen ist.

Noch sind die Fortschritte der Wachkoma-Patienten gering – ihr volles Bewusstsein haben sie während der Ultraschall-Therapie noch nicht wiedererlangt. „Aber für diese Patienten kann schon der kleinste Schritt bedeutsam sein – für sie und für ihre Familien macht eine ganze Welt aus.“ Die Tests zeigten zudem, dass diese Therapie gut verträglich ist und weder Gehirn noch Kreislauf der Patienten belastet.

Weitere Studien sollen folgen

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte die niederfrequente, fokussierte Ultraschall-Therapie (LIFU) neue Chancen eröffnen, Komapatienten wieder ins Bewusstsein zu helfen. Zwar seien weitergehende klinische Studien mit mehr Patienten nötig, bevor diese Therapie etabliert werden kann. „Dennoch deuten diese vorläufigen Ergebnisse daraufhin, dass die LIFU Potenzial als neue, sichere und breit anwendbare Intervention für Patienten mit chronischen Bewusstseinsstörungen hat“, konstatieren Monti und sein Team.

Die Forscher wollen mit den ersten größer angelegten klinischen Studien dieser Methode beginnen, sobald die Corona-Pandemie vorbei und die sichere Behandlung der Patienten wieder gewährleistet ist. (Brain Stimulation, 20231; doi: 10.1016/j.brs.2021.01.008)

Quelle: University of California – Los Angeles

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