Genetik

Unsere DNA hat gut 53.000 Knoten

Erbgutstrang ist von winzigen Ausstülpungen unklarer Funktion durchsetzt

Knoten in der DNA
Diese kleinen viersträngigen Ausstülpungen, sogenannte i-Motive, kommen in unserem Genom mehr als 53.000 Mal vor. Aber warum? © Garvan Institute

Mysteriöse Ausstülpungen: Die Doppelhelix unserer DNA ist durch mehr als 53.000 winzige Knoten durchbrochen, wie eine Studie nun enthüllt. Die kurzen, vierlagigen Ausstülpungen des Erbmoleküls – sogenannte i-Motive – kommen in allen untersuchten Zellen und DNA-Abschnitten vor. Sie häufen sich jedoch vor allem an aktiven Genen. Dies legt nahe, dass diese Knoten eine wichtige Rolle für die Genregulation spielen – und auch an der Krebsentstehung könnten sie beteiligt sein, wie Forschende berichten.

Unsere DNA bildet normalerweise eine Doppelhelix. In ihr sind zwei komplementäre Stränge über ihre Basenpaare miteinander verknüpft. Doch im Laufe des Zellzyklus nimmt unser Erbgut auch abweichende Formen an: Im Zellalltag liegt die DNA als dichtes Knäuel mit zahlreichen Schleifen und offene Stellen mit auseinanderklaffenden Einzelsträngen vor. Bei der Zellteilung wiederum wird das fast zwei Meter lange Erbgut in Zickzacks und Schlaufen gelegt und platzsparend in den Chromosomen verstaut.

Knotenfahndung im Erbgut

Doch jetzt gibt es etwas Neues: i-Motive. Diese knotenartigen Ausstülpungen unseres Erbguts bilden sich, wenn in einem DNA-Abschnitt mehrere Cytosin-Basen aufeinander folgen. Diese bilden dann Querverbindungen aus, durch die der Strang abknickt und sich mit sich selbst verbindet – es entsteht eine viersträngige Ausstülpung. „Es war schon länger bekannt, dass sich solche i-Motive unter sauren Bedingungen in vitro bilden können“, erklärt Cristian Peña Martinez vom Garvan Institute of Medical Research in Sydney.

Aber ob diese kleinen DNA-Knötchen auch in lebenden Zellen existieren, wie viele es davon gibt und welche Funktion sie haben, war unklar. Deshalb haben Peña Martinez und sein Team nun einen speziellen Antikörper entwickelt, der in Zellkulturen und Gewebeproben nur an diese i-Motive der DNA bindet und sie durch Fluoreszenz markiert. Damit unternahmen sie eine „Knotenfahndung“ in drei verschiedenen menschlichen Zellkulturen.

i-Motiv in der DNA
Die i-Motive bilden sich dort, wo mehrere Cytosin-Basen aufeinanderfolgen. Diese bilden dann Querverbindungen innerhalb desselben DNA-Strangs aus und verursachen so die kleinen Knoten. © Peña Martinez et al./ The EMBO Journal, CC-by 4.0

i-Motive überall und in allen Zellen

Das Ergebnis: Die DNA-Knoten finden sich überall im menschlichen Genom. „Wir haben bei unserer Kartierung mehr als 53.000 i-Motive entdeckt, die in allen drei untersuchten Zelltypen vorkommen“, berichtet Seniorautor Daniel Christ vom Garvan Institute. „Das ist eine bemerkenswert hohe Zahl für eine DNA-Struktur, deren Existenz in unseren Zellen zuvor kontrovers war. Unsere Resultate belegen nun, dass i-Motive nicht nur eine Laborkuriosität sind, sondern weitverbreitet.“

Doch wozu dienen diese winzigen Knötchen in unserer DNA? Um das herauszufinden, untersuchte das Team genauer, an welchen Stellen des Erbgutstrangs die i-Motive bevorzugt sitzen. Dies ergab: Die DNA-Knoten sind nicht zufällig verteilt, sondern häufen sich an aktiven, gerade intensiv abgelesenen Genen sowie an wichtigen Schaltern für die Genaktivität. Deutlich spärlicher oder sogar abwesend sind diese Ausstülpungen hingegen an Genen, die inaktiv sind oder durch Regulationsmechanismen blockiert wurden.

Einfluss auf die Genaktivität und Krebsgene

„Dies spricht dafür, dass die i-Motive eine dynamische Rolle in der Regulation der Genaktivität spielen“, sagt Peña Martinez. Die DNA-Knoten finden sich offenbar vorwiegend dort, wo die Transkription eines Gens größere Mengen an Boten-RNA (mRNA) erzeugt. Nähere Analysen enthüllten zudem, dass sich diese i-Motive auch im Umfeld von Krebsgenen finden. Dort liegen die Knoten oft in der Promotor-Region dieser Onkogene – dem DNA-Abschnitt, an dem das Ablesen des Gens beginnt.

„Wir haben i-Motive beispielsweise in der Promotor-Region des MYC-Onkogens gefunden – eines Gens, das einen berüchtigten, als ’nicht therapierbar‘ geltenden Krebs-Genort darstellt“, erklärt Peña Martinez. „Dies könnte die spannende Chance eröffnen, diese Krankheitsgene über die i-Motiv-Struktur anzugreifen.“ So könnte es möglich sein, gezielt Wirkstoffe zu entwickeln, die sich an die DNA-Knötchen anlagern und so ihre Funktion blockieren.

„Die verbreitete Präsenz dieser i-Motive an solchen Krebsgenen eröffnet neue Möglichkeiten für die Diagnostik und Therapie“, ergänzt Koautorin Sarah Kummerfeld vom Garvan Institute. Umso wichtiger sei es nun, die genaue Funktion dieser DNA-Knoten weiter zu erforschen. (The EMBO Journal, 2024; doi: 10.1038/s44318-024-00210-5)

Quelle: Garvan Institute of Medical Research

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