Weltweit leiden mehr als vier Millionen Menschen an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Um neue, effektivere Therapien gegen diese Erkrankungen zu entwickeln, ist ein genaues Verständnis der zugrunde liegenden molekularen Prozesse nötig. Nun haben Wissenschaftler im Tierversuch einen wichtigen Signalweg bei der Entstehung dieser Krankheiten entschlüsselt.
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Die Forschungsergebnisse, die in der aktuellen Onlineausgabe von Nature veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Hemmung eines zellulären Signalmoleküls in Mäusen zu einer schweren Darmentzündung führt.
Der menschliche Darm beherbergt eine enorme Zahl von Bakterien. Diese sind normalerweise unschädlich für den Körper und helfen sogar bei der Nahrungs-Verwertung. Wenn sie jedoch in die Darmwand eindringen, können diese Bakterien gefährlich werden und Krankheiten verursachen. Daher ist die Darmoberfläche von einer dünnen Zellschicht so genannter Epithelzellen bedeckt, die als Barriere wirken und die Bakterien vom Eindringen in die Darmwand abhalten. Die Mechanismen, die diese Barriere – und somit einen gesunden Darm – erhalten , sind weitgehend unbekannt.
Wie gehen Mäuse mit Stress um?
Wissenschaftler der Universitäten Köln und Mainz und des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Italien um Arianna Nenci und Christoph Becker untersuchten in Epithelzellen des Darmes die Rolle eines Signalmoleküls – NF-Kappa-B -, das den Zellen hilft, mit „Stress“ umzugehen. Mit genetischen Methoden züchteten die Forscher Mäuse, deren Epithelzellen im Darm ein bestimmtes Protein – genannt NEMO – fehlt, das wichtig für die Aktivierung des Signalmoleküls NF-Kappa-B ist. Als Resultat einer fehlenden Aktivierung von NF-Kappa-B entwickelten die Mäuse eine schwere chronisch entzündliche Darmerkrankung, ähnlich der Darmentzündung beim Menschen.
„Als wir uns die Mäuse genauer anschauten, erkannten wir, dass deren Darmepithel beschädigt war“, erläutert Manolis Pasparakis, der kürzlich als Professor an die Universität Köln berufen wurde. „NF- Kappa-B ist ein Überlebenssignal für Zellen. Ohne dieses Molekül sterben Darm-Epithelzellen viel eher. Genau dies passierte im Darm unserer Mäuse: Einzelne Zellen starben, wodurch Lücken in der Epithelschicht entstanden. Durch diese Lücken konnten Bakterien in die Darmwand eindringen.“
Unterhalb der Epithelschicht befinden sich Zellen des Darm-Immunsystems, des größten Immunsystems im Körper. Es erkennt eindringende Bakterien und erzeugt eine starke Immunreaktion, um die Eindringlinge zu bekämpfen. Im Zuge der Bekämpfung der Bakterien produzieren die Zellen des Immunsystems eine Vielzahl von Stoffen, die letztendlich die Symptome der Entzündung verursachen.
Entzündungssignale erreichen Epithelzellen
„Hier schließt sich der Teufelskreis“, erklärt Markus Neurath, Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Entzündungssignale gelangen zu den Epithelzellen, die durch das Fehlen von NF-Kappa-B sehr empfindlich darauf reagieren und sterben. Dies führt zu noch größeren Lücken in der Epithelschicht, so dass noch mehr Bakterien in die Darmwand eindringen können. Das Resultat ist eine fortschreitende Immunreaktion, die zu einer chronischen Entzündung führt, wie wir sie von Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen kennen.“
Die Erkenntnis, dass eine gestörte Aktivierung des NF-Kappa-B Signalweges im Darmepithel zur Entstehung einer Darmentzündung führen kann, resultiert in einem neuen Modell für die Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Die Ergebnisse der „Nature“-Publikation ebnen daher den Weg für völlig neue Therapiestrategien.
(idw – Universitäten Mainz und Köln, 16.03.2007 – DLO)