Messbare Nebenwirkung: Die Antibabypille könnte sich auf die Struktur bestimmter Hirnregionen auswirken und sie sogar schrumpfen lassen. Denn wie eine Pilotstudie nahelegt, haben Frauen, die mit Hormonpräparaten verhüten, einen verkleinerten Hypothalamus. Dieses Hirnareal ist ein wichtiges Steuerzentrum für Appetit, Stimmung, Erregung und viele vegetative Funktionen. Ob die Pille wirklich die Ursache für seine Schrumpfung ist und welche Folgen das hat, müssen nun allerdings erst weitere Untersuchungen zeigen.
Die Antibabypille gehört bis heute zu den beliebtesten Verhütungsmitteln. Doch ihre Einnahme wird inzwischen zunehmend kritisch gesehen, weil sie bedenkliche Nebenwirkungen haben kann. So erhöht dieses Hormonpräparat das Risiko für Thrombosen und Brustkrebs und wirkt sich auch auf die Psyche aus. Viele Frauen, die die Pille nehmen, klagen etwa über Stimmungsschwanken und ein vermindertes sexuelles Lustempfinden.
Zudem wird ein Zusammenhang der Pille mit dem Auftreten von Depressionen diskutiert. Darüber hinaus haben Mediziner zuletzt Hinweise darauf gefunden, dass das Verhütungsmittel die emotionale Wahrnehmung stört.
Hypothalamus im Blick
Nun zeichnet sich eine weitere Nebenwirkung ab: Möglicherweise verändert die Antibabypille auch die Struktur des Gehirns, wie Michael Lipton vom Albert Einstein College of Medicine in New York und seine Kollegen berichten. Um möglichen Effekten der hormonellen Verhütung auf das Denkorgan auf die Spur zu kommen, hatten sich die Wissenschaftler dem Hypothalamus gewidmet.
Dieser Hirnbereich reguliert über die Ausschüttung von Hormonen und anderen Botenstoffen wichtige biologische Funktionen wie Körpertemperatur, Herzrate und Schlafrhythmus. Außerdem spielt er eine Rolle für unsere Stimmung, unseren Appetit und unsere Lust auf Sex. Auch der Mutterinstinkt sitzt in diesem Hirnareal. „Wie sich orale Kontrazeptiva auf diesen kleinen, aber essentiellen Teil des Gehirns auswirken, ist bisher kaum erforscht worden“, erklärt Lipton.
Geschrumpfte Hirnregion
Für ihre Pilotstudie analysierten die Forscher MRT-Aufnahmen von 50 Frauen – darunter 21, die eine Kombinationspille mit synthetischen Östrogenen und Progestagenen einnahmen. Anhand der Bilder vom Gehirn der Probandinnen schätzten sie dann das Volumen des Hypothalamus ab. Außerdem ließen sie die Frauen Tests absolvieren, die Hinweise auf deren Persönlichkeit, Stimmung und kognitive Funktionen lieferten.
Die Auswertungen enthüllten: „Wir haben einen deutlichen Unterschied bei der Größe dieser Hirnstruktur festgestellt“, berichtet Lipton. Demnach hatten Frauen, die die Pille nutzten, einen im Schnitt sechs Prozent kleineren Hypothalamus als nicht auf diese Weise verhütende Frauen. Diese Differenz mag zwar gering erscheinen und insgesamt waren die Gehirne der betroffenen Frauen nicht auffällig verkleinert – für die Wissenschaftler ist der Befund dennoch beachtlich.
Unklare Folgen
Welche Folgen aber hat der geschrumpfte Hypothalamus? Die Untersuchungen lieferten keine Indizien dafür, dass ein geringeres Volumen dieses Hirnbereichs mit geminderten kognitiven Fähigkeiten einhergeht. Allerdings zeigte sich ein Zusammenhang mit gesteigertem Ärger und depressiven Symptomen.
Wie das Forscherteam betont, sollten diese Ergebnisse jedoch nicht überbewertet werden. „Wir sagen nicht, dass Frauen jetzt sofort ihre Antibabypillen wegwerfen müssen“, konstatiert Lipton. Denn nur weitere Untersuchungen können bestätigen, ob die Pille wirklich die Ursache für den verkleinerten Hypothalamus ist, und klären, welche Folgen diese Schrumpfung hat.
„Diese erste Studie zeigt lediglich eine starke Assoziation auf. Dies sollte dazu motivieren, den Effekten oraler Kontrazeptiva auf die Struktur und Funktion des Gehirns in Zukunft genauer auf den Grund zu gehen“, schließt Lipton. (Radiological Society of North America, 105th Scientific Assembly and Annual Meeting 2019)
Quelle: Radiological Society of North America