Heimliche Krankmacher: Urzeitliche Virengene in unserem Erbgut könnten bei der Entstehung neurologischer Erkrankungen mitmischen. Wie Forscher berichten, scheint es einen Zusammenhang zwischen endogenen Retroviren und Krankheiten wie Multiple Sklerose, ALS und Schizophrenie zu geben. Demnach könnte eine Reaktivierung dieser „schlafenden“ Erreger in unserem Genom schädliche Mechanismen in Gang setzen.
Das menschliche Erbgut enthält eine Reihe von Sequenzen, die dort eigentlich nichts zu suchen haben: Gene und Genfragmente von Viren. Sie sind in unserem Genom enthalten, weil unsere Vorfahren irgendwann einmal von sogenannten Retroviren infiziert wurden – Erregern, die ihr Erbgut in das Genom ihres Wirts einfügen.
Schätzungen zufolge kommen immerhin acht Prozent unserer DNA von solchen endogenen Viren. Ein Großteil dieser Sequenzen ist harmlos oder sogar nützlich für uns. So scheinen manche urzeitlichen Virengene beispielsweise das Muskelwachstum anzukurbeln oder vor Krebs zu schützen. Doch es gibt auch virale DNA in unserem Erbgut, der Mediziner schädliche Einflüsse nachsagen. Demnach mischen manche endogenen Retroviren bei der Entstehung von Erkrankungen mit. Belege für einen solchen Zusammenhang gibt es unter anderem bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit.
Wiederaufgeweckte Viren
Patrick Küry von der Universität Düsseldorf und seine Kollegen präsentieren nun Hinweise darauf, dass die endogenen Viren möglicherweise auch für drei weitere neurologische Erkrankungen eine Rolle spielen: Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Schizophrenie. „Endogene Retroviren können durch Umweltfaktoren wie Entzündungsprozesse, Mutationen, Medikamente oder Infektionen mit anderen Viren wie dem Epstein-Barr-Virus reaktiviert werden“, erklärt er.