Medizin

Warum Anregung den Geist jung hält

Mentale Stimulation verjüngt Anlagerungsmuster der Hirnzellen-DNA

Hirnzellen
Abwechslung und geistige Stimulation halten nicht nur den Geist fit – es verjüngt das Gehirn auch auf genetischer Ebene. © Eraxion/ iStock.com

Jungbrunnen fürs Gehirn: Ein abwechslungsreicher Alltag hält nicht nur geistig fit – wichtige Hirnareale bleiben dadurch auch genetisch jung, wie eine Studie mit Mäusen enthüllt. Demnach verändert eine reizreiche Umwelt das alterstypische Muster der Anlagerungen an der Hirnzellen-DNA und kann so das Gehirn epigenetisch verjüngen. Das fördert das Wachstum neuer Zellen und Verknüpfungen selbst im Alter, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Wenn wir altern, baut auch unser Gehirn ab. Dies zeigt sich unter anderem in einer abnehmenden geistigen Leistung, lässt sich aber auch an einem verringerten Wachstum neuer Hirnzellen und Verknüpfungen ablesen. Studie mit Mäusen und Menschen zeigen aber auch, dass mentales Training und geistige Anregungen diese Entwicklung zumindest bremsen können. Vor allem soziale Kontakte und das Lernen neuer Fähigkeiten halten das Gehirn demnach fit.

Doch was steckt dahinter? Bekannt ist, dass sich ein abwechslungsreicher Alltag vor allem auf den Hippocampus positiv auswirkt, ein für Lernen und Gedächtnis wichtiges Hirnareal. „Aber wie der Lebensstil und eine reizreiche Umwelt die Hirnalterung auf molekularer Ebene beeinflusst, ist noch weitgehend unbekannt“, erklären Sara Zocher vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und ihre Kollegen. Gerade dieses Wissen könnte jedoch Ansätze für neue Therapien bieten.

Anlagerungen der DNA im Visier

Um mehr herauszufinden, haben sich Zocher und ihre Team einen speziellen Aspekt der Gehirnalterung angeschaut: die Epigenetik. Wie bei anderen Körperzellen auch verändert sich mit dem Alter das Muster der Anlagerungen an der DNA der Hirnzellen. „Diese chemischen Anhänge verändern nicht die Erbinformation selbst. Vielmehr beeinflussen sie, ob einzelne Gene aktiviert werden können oder nicht“, erklärt Zochers Kollege Gerd Kempermann.

Für ihre Studie verglich das Forschungsteam das Muster der epigenetischen Anlagerungen bei Mäusen aus normaler Käfighaltung und solchen, die im höheren Alter drei Monate lang in einer besonders reizreichen Umgebung mit Spielsachen und Tunnelröhren gelebt hatten. Durch zusätzliche Vergleiche mit jüngeren Mäusen ermittelten sie zudem, welche Anlagerungen spezifisch im Alter vorkommen.

Epigenetisch verjüngt

Das Ergebnis: Bei den Mäusen ohne stimulierende Umgebung änderten sich die chemischen Markierungen der DNA mit dem Alter deutlich. Anders bei den Mäusen in der reizreichen Umgebung: Das Erbgut ihrer Gehirnzellen zeigte deutlich weniger Unterschiede zum epigenetischen Muster junger Tiere, wie die Forschenden berichten. Insgesamt stellten sie bei 373 Genen eine gegenüber den Kontrolltieren veränderte Anlagerung fest.

Betroffen waren insbesondere eine Reihe von Genen, die für die Neubildung von Nervenzellen und zellulären Verbindungen im Hippocampus von Bedeutung sind. Ihre Aktivität war durch das veränderte, weniger alterstypische Anlagerungsmuster erhöht. „Diese Tiere behielten epigenetisch gesehen einen jüngeren Hippocampus“, erklärt Kempermann. Als Folge behielten die Gehirne dieser Tiere eine größere Plastizität als bei gleichaltrigen Artgenossen aus einer reizarmen Umwelt.

Auch auf den Menschen übertragbar?

Diese Ergebnisse geben damit einen ersten Einblick darin, wie die Stimulation des Gehirns durch Training und äußere Reize auf molekularer Ebene die geistige Fitness stärkt. „Unsere Resultate unterstreichen das Potenzial von Lebenserfahrungen, die Hirngesundheit im Alter zu beeinflussen“, konstatieren Zocher und ihr Team. „Sie liefern uns zudem einen möglichen Mechanismus, wie diese Lebensstil-Faktoren der Hirnalterung entgegenwirken.“

Das weckt die Frage, inwieweit die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. „Hier ist die Situation wahrscheinlich komplizierter. Die Reaktion eines Menschen auf äußere Reize ist weitaus komplexer als bei Mäusen“, sagt Kempermann. „Wir haben aber gute Gründe anzunehmen, dass die epigenetischen Grundprinzipien beim Menschen die gleichen sind wie bei Mäusen.“ Einer dieser Gründe: Viele der Gene, die bei den Mäusen vom „Hirntraining“ profitierten, spielen auch beim Menschen eine entscheidende Rolle für die Hirngesundheit, wie Vergleiche ergaben. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-23993-1)

Quelle: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)

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