Hatschi! Forscher haben aufgedeckt, was beim Niesen im Gehirn passiert. Verantwortlich für den Niesreflex ist demnach ein Botenstoff namens Neuromedin B. Unterdrückten die Forscher den Botenstoff oder seine Rezeptoren bei Mäusen, niesten die Tiere deutlich weniger. Die Entdeckung könnte dazu beitragen, Behandlungen gegen Allergiesymptome zu entwickeln und die Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu begrenzen, die beim Niesen übertragen werden.
Es bahnt sich mit einem Kribbeln in der Nase an und entlädt sich mitunter explosionsartig: Wenn wir niesen, schleudern wir tausende winziger Tröpfchen von uns, beladen mit Reizstoffen und Krankheitserregern. Auslöser dafür können Allergien, Bakterien und Viren sein, darunter auch das Coronavirus SARS-CoV-2, das sich auf diesem Weg besonders leicht verbreitet. Obwohl Wissenschaftler bereits vor mehr als 20 Jahren eine niesauslösende Region im Hirnstamm identifiziert haben, war bisher wenig darüber bekannt, wie der Niesreflex auf zellulärer und molekularer Ebene funktioniert.
Mäuse als Modell
Ein Team um Fengxian Li von der Washington University in St. Louis hat nun an Mäusen untersucht, was das Niesen auslöst und wie sich der Reflex womöglich unterbinden lässt. „Wenn wir besser verstehen, was uns zum Niesen veranlasst – insbesondere, wie sich die Neuronen als Reaktion auf Allergene und Viren verhalten – können wir möglicherweise Behandlungen entwickeln, die die Ausbreitung infektiöser Atemwegserkrankungen durch Niesen verlangsamen“, sagte Lis Kollege Qin Liu.
Um die neuronalen Grundlagen des Niesens untersuchen zu können, entwickelten die Forscher zunächst ein Mausmodell. Dazu setzten sie die Mäuse winzigen in der Luft verteilten Tröpfchen aus, die entweder den allergievermittelnden Botenstoff Histamin enthielten oder Capsaicin, eine scharfe Verbindung aus Chilischoten. Beides löste bei den Mäusen einen Niesreiz aus, wie er auch bei Menschen auftritt.
Nies-Botenstoff identifiziert
Anschließend untersuchten Li und ihre Kollegen bei den Mäusen Nervenzellen, die bekanntermaßen auf Capsaicin und Histamin reagieren, und verfolgten nach, welche Botenstoffe diese Nervenzellen ausschütten. Um zu testen, welches der dabei identifizierten Moleküle tatsächlich für den Niesreflex verantwortlich ist, unterdrückten die Forscher eines nach dem anderen und testeten, ob die Mäuse weiterhin niesen konnten oder nicht.
„Interessanterweise führte ein Mangel an dem Botenstoff Neuromedin B dazu, dass die Mäuse in Reaktion auf Capsaicin und Histamin deutlich weniger niesten“, berichten die Wissenschaftler. Offenbar ist es also dieses Molekül, das den Niesreflex vermittelt. Auch wenn die Forscher die Rezeptoren für Neuromedin B ausschalteten, blieb das Niesen aus. Umgekehrt mussten die Mäuse mehr niesen, wenn die Forscher die entsprechenden Nervenzellen in ihrem Gehirn direkt Neuromedin B aussetzten.
Behandlungen gegen Niesen?
Zudem ergaben die Analysen: „Von den Neuronen, die den Niesreflex auslösen, befand sich interessanterweise keines in einer der bekannten Regionen des Hirnstamms, die mit der Atmung verbunden sind“, sagt Liu. Das macht die Nies-Neuronen zu einem vielversprechenden Ziel für Behandlungen, die das Niesen unterdrücken sollen, ohne das Atmen zu beeinflussen.
„Grundlegend ist der Niesreflex sinnvoll für unsere Gesundheit, da er schädliche Umweltreizstoffe und Krankheitserreger aus unseren Atemwegen entfernt. Im Zusammenhang mit Krankheiten kann er jedoch lästig sein“, schreiben die Autoren. „Ein einziger Nieser kann 40.000 virushaltige Tröpfchen erzeugen, die einen Radius von sieben bis acht Metern erreichen und bis zu zehn Minuten in der Luft bleiben. Im Gegensatz dazu erzeugt ein Husten nur ungefähr 3.000 Tröpfchen, etwa genauso viel wie wenn man fünf Minuten lang spricht.“ Damit ist Niesen einer der wichtigsten Wege, auf dem sich Krankheitserreger ausbreiten, darunter auch SARS-CoV-2.
„Um zukünftige virale Ausbrüche zu verhindern und pathologisches Niesen, das durch Allergene verursacht wird, zu behandeln, ist es wichtig, die Signalwege zu verstehen, die Niesen verursachen, um sie zu blockieren“, so Li und ihre Kollegen. „Wir haben identifiziert, welche Neurone den Niesreflex vermitteln und welche Botenstoffe diese Neuronen aktivieren. Das könnten Ansatzpunkte sein, um zukünftig pathologisches Niesen zu behandeln.“ (Cell, 2021; doi: 10.1016/j.cell.2021.05.017)
Quelle: Washington University School of Medicine