Stummgeschaltet: Bei allen Frauen ist nur eines ihrer X-Chromosomen aktiv, das andere wird schon im Embryonalstadium ausgeschaltet. Nun haben Forscher ein Protein identifiziert, das an diesem wichtigen Prozess maßgeblich beteiligt ist. Entscheidend für das Stummschalten der Gene des zweiten X-Chromosoms ist demnach ein Protein namens SPEN. Dieses bindet an für die Genregulation wichtige Bereiche und unterdrückt die Transkription – fehlt es, bleibt das zweite X-Chromosom aktiv.
Bei allen Säugetieren unterscheiden sich Männchen und Weibchen in Bezug auf ihre Geschlechtschromosomen. Während männliche Individuen ein X- und ein Y-Chromosom besitzen, verfügt das weibliche Geschlecht über zwei X-Chromosomen. Daraus ergibt sich jedoch ein potenzielles Problem. Denn auf dem X-Chromosom befinden sich eine Vielzahl von Genen, die auf dem Y-Chromosom fehlen. Diese Erbinformationen müssten bei Weibchen im Vergleich zu Männchen daher überrepräsentiert sein.
Damit genau das nicht passiert, wendet die Natur einen Trick an: Sie schaltet in weiblichen Zellen jeweils ein X-Chromosom aus. An diesem Prozess ist ein Molekül namens Xist beteiligt, das das Chromosom selbst produziert. Diese nicht-kodierende RNA wickelt das Chromosom ein und löst schließlich dessen Inaktivierung aus. Wie dieser epigenetische Prozess genau vonstatten geht, war bisher jedoch unklar. „Die molekularen Mechanismen hinter dem Ausschalten der X-Chromosom-Gene sind seit Jahrzehnten ein Rätsel“, erklärt Francois Dossin vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg.
Wie funktioniert das Stummschalten?
Um der Lösung des Rätsels auf die Spur zu kommen, haben sich Dossin und seine Kollegen nun dem sogenannten SPEN-Protein gewidmet. Dieses ist eines von mehreren Proteinen, die an die Xist-RNA binden, wie Experimente vor Kurzem enthüllt haben. SPEN ist zudem dafür bekannt, über unterschiedliche Prozesse die Transkription von Genen unterdrücken zu können. Doch ist es auch am Stummschalten der Gene des zweiten X-Chromosoms beteiligt?