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Virologie

Wie gefährlich ist das Oropouche-Virus?

Erste Todesfälle nach Ausbreitung des Oropouche-Fiebers

Moskito auf menschlicher Haut
Das Oropouche-Virus wird über Beiß- und Stechmücken übertragen. © smuay / iStock

Erhöhte Gefahr? In Brasilien sind kürzlich erstmals zwei Frauen am Oropouche-Virus gestorben – einem durch Mücken übertragenen Erreger. Die Ursache war wahrscheinlich eine neue, aggressivere Virus-Mutation, die sich bereits seit einigen Jahren unbemerkt in Süd- und zunehmend auch in Mittelamerika ausbreitet, wie Virologen ermittelt haben. Zu der aktuellen Epidemie haben vermutlich verschiedene natürliche und menschliche Faktoren beigetragen. Ob und wie stark sich das mutierte Virus weiter ausbreitet, ist jedoch noch unklar.

Das Oropouche-Virus (OROV) kommt überwiegend im Amazonasgebiet in Südamerika vor. Es kann ähnlich wie Dengue durch Stechmücken übertragen werden und verschiedene Wild- und Nutztiere und auch Menschen infizieren. Dies löst dann das gleichnamige Oropouche-Fieber (ORO) aus. Zu den typischen Symptomen zählen neben Fieber plötzliche Kopf-, Muskel- und Gliederschmerzen sowie Magen-Darm-Beschwerden. Seit das Virus 1955 in Trinidad und Tobago entdeckt wurde, hat es in über 30 Ausbrüchen mindestens eine halbe Millionen Menschen infiziert. Die Erkrankung verlief jedoch meist glimpflich, Todesfälle waren bisher nicht bekannt.

Erste Todesfälle durch Oropouche

Doch das scheint sich jetzt zu ändern: Am 25. Juli 2024 haben brasilianische Behörden erstmalig zwei Todesfälle infolge von Oropouche-Fieber gemeldet. Die beiden Frauen waren 21 und 24 Jahre alt und litten zunächst unter starken Bauchschmerzen, Blutungen und niedrigem Blutdruck und starben dann. Die Infektionen verliefen demnach ungewöhnlich schwer und ereigneten sich an unerwarteten Orten: im Nordosten des Landes, weit weg vom Amazonas-Regenwald.

In den vergangenen Monaten sind zudem immer mehr Fälle des Oropouche-Fiebers auch in nördlicheren Gebieten wie Mittelamerika und der Karibik aufgetreten – von Bolivien, Kolumbien und Peru bis nach Haiti und Kuba. In Brasilien stieg die Zahl der Infizierten von 835 im Vorjahr auf bereits rund 7.000 Fälle in diesem Jahr. Einem aktuellen Bericht des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zufolge kommt das Oropouche-Virus möglicherweise bereits weltweit vor.

Neuartige Virus-Variante

Ein Forschungsteam um Felipe Gomes Naveca von der Fundação Oswaldo Cruz (Fiocruz) in Manaus hat aus diesem Anlass nun in einem vorläufigen Artikel zusammengefasst, was aktuell über das Virus bekannt ist. Darin haben die Forschenden auch untersucht, warum es zu den Todesfällen und der Häufung der Infektionen gekommen ist. Dafür verglichen sie die Virusgenome aus 382 Proben von Menschen, die zwischen 2022 und 2024 infiziert wurden, mit Vergleichsproben aus früheren Zeiträumen.

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Der Analyse zufolge gingen die Virusausbrüche seit 2022 überwiegend auf einen neuen Virusstamm zurück, der mit früheren Oropouche-Varianten aus anderen Teilen Südamerikas verwandt ist. Das Genom der neuen Erregervariante enthält demnach eine Kombination verschiedener Erbgutabschnitte dieser Vorgängerformen. „Diese Kombination von Segmenten unterschiedlicher geografischer Herkunft führte zu einer neuartigen genetischen Umlagerung“, sagt Naveca. Die aktuell kursierende Virusvariante ist demnach eine Rekombination aus verschiedenen Oropouche-Viren.

Rekombination machte Erreger aggressiver

Auch die beiden Todesfälle gehen den Untersuchungen zufolge wahrscheinlich auf diese mutierte Virusvariante zurück, da diese in der betreffenden Region ebenfalls nachgewiesen wurde, wie das Team berichtet. „Die Todesfälle zeigen, dass eine Infektion mit dem Virus tödlich sein kann, und bestätigen frühere Vermutungen. Es ist jedoch notwendig, den genauen Mechanismus, durch den dies geschieht, weiter zu untersuchen“, sagt Naveca. Die genaue Wirkweise dieses RNA-Virus ist demnach bislang nicht bekannt.

Eurico Arruda von der Universität Sao Paulo, der nicht an der Studie beteiligt war, vermutet ebenfalls, dass die tödliche Mutation durch Rekombination zustande kam. „Wenn zwei Viren dieselbe Zelle infizieren, kann dies zu einer neuen Virenform führen“, erklärt der Virologe. „Das ist anscheinend passiert, was zu einer Veränderung seines Verhaltens geführt hat und das Oropouche-Virus aggressiver gemacht hat.“ Zugleich sei es nun ansteckender, sagen Naveca und seine Kollegen.

Verbreitung durch veränderte Umweltfaktoren und Reisen

Die Mutation trat der Studie zufolge bereits zwischen 2010 und 2014 auf und breitete sich seither unbemerkt aus. Die Ausbreitung der übertragenden Mücken und des Erregers wurde wahrscheinlich zusätzlich durch weitere Faktoren angetrieben, so die Forschenden. Darunter seien extreme Wetterereignisse wie El Niño, die mehr Regen brachten, aber auch menschliche Einflüsse wie Reisen, Abholzung und Landwirtschaft.

Dem ECDC-Bericht zufolge haben Reisende das Virus beispielsweise kürzlich aus Kuba nach Deutschland, Italien und Spanien eingeschleppt. Solange die Infizierten in Europa nicht von weiteren Mücken gestochen werden, sei eine weitere Übertragung aber unwahrscheinlich, betonen die Wissenschaftler.

„Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich ein Virus unbemerkt ausbreitet, vor allem wenn es sich um ein Virus handelt, das bis vor kurzem nicht systematisch überwacht wurde“, fügt Naveca hinzu. „Einige Fälle könnten aufgrund mangelnder Beweise auch unbemerkt bleiben.“ Die Dunkelziffer könnte demnach höher liegen als die durch PCR-Tests offiziell bestätigten Fälle.

Wie gefährlich ist das Virus?

In den allermeisten Fällen verläuft das Fieber auch mit dem neuen Virenstamm glimpflich und vergeht nach einigen Tagen. Das brasilianische Gesundheitsministerium hat jedoch auch sechs Fälle gemeldet, in denen Mütter ihre ungeborenen Kinder angesteckt haben. Diese Infektionen führten zu Tot- oder Fehlgeburten und Fehlbildungen des Kopfes ähnlich wie sie auch beim Zika-Virus auftreten können. Sowohl Zika als auch Oropouche infizieren überwiegend Nervenzellen und können zu Nervenschäden führen, wie die Behörden und Forschenden berichten.

„Die Situation ist besorgniserregend, denn es gibt weder einen Impfstoff noch eine spezifische Behandlung“, sagt Arruda. Er und viele andere Forschende arbeiten nun daran, einen Schnelltest für Oropouche zu entwickeln, um dessen Verbreitung besser überwachen zu können, und testen derzeit verfügbare Wirkstoffe gegen das Oropouche-Fieber. Bis dahin hilft vor allem Mückenschutz vor einer Oropouche-Erkrankung. (medRxiv, doi: 10.1101/2024.07.23.24310415 / Zoonoses, 2024; doi: 10.15212/ZOONOSES-2024-0006)

Quellen: Compuscript Ltd, SciDev.Net, ECDC

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