Was hab ich bloß? Diese Frage stellen Menschen immer häufiger nicht dem Arzt, sondern einer Handy-App oder interaktiven Website. Wie gut solche Diagnose-Hilfen sind, haben Forscher nun für 36 solcher Programme überprüft. Ihr Ergebnis: Im Schnitt liegen diese Symptomchecker nur in 36 Prozent der Fälle richtig. Die Dringlichkeit eines Arzt- oder Klinikbesuchs stuften knapp die Hälfte der Programme korrekt ein.
Die Ratsuche bei „Dr. Google“ ist längst Alltag: Wer unklare Krankheitssymptome entwickelt, sucht oft zuerst im Internet nach einer möglichen Ursache für die Beschwerden. Viele Webseiten bieten inzwischen interaktive Symptomchecker an, die dann aufgrund der Nutzer-Eingaben eine Reihe möglicher Diagnosen ausspucken. Auch fürs Smartphone gibt es inzwischen eine Vielzahl solcher Apps.
36 gängige Symptomchecker im Test
Doch wie verlässlich ist der Rat solcher Diagnose-Apps? Das haben nun Michella Hill von der Edith Cowan University in Perth und ihr Team untersucht. Dafür wählten sie zunächst über eine Internetsuche und aus den App-Stores von Google und Apple die 36 gängigsten Symptomchecker-Apps und Webprogramme aus. Unter diesen waren einige, die nur Diagnose-Vorschläge machten, andere gaben zusätzlich an, ob der Patient sich selbst kurieren, eine Arztpraxis aufsuchen oder sogar den Notarzt rufen sollte. Neun Apps gaben nur Handlungsempfehlungen ohne Diagnose.
Für den eigentlichen Test stellten die Forscher aus 48 realen Fallbeispielen jeweils die charakteristischen Symptome zusammen. Diese gaben sie dann in die 36 Symptomchecker-Programme ein und prüften parallel, wie treffsicher zwei Hausärzte und ein Notarzt anhand dieser Angaben die Diagnosen stellten. Unter den Fallbeispielen waren sowohl schwere Notfälle wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Blinddarmentzündung, aber auch Thrombosen, Bronchitis, Ekzeme oder Migräne.
Korrekte Diagnose nur in 36 Prozent
Das Ergebnis: Die Symptomchecker gaben nur bei rund 36 Prozent der Tests die korrekte Diagnose als die wahrscheinlichste an. Selbst bei sehr häufigen Erkrankungen lag die Trefferquote nur bei rund 42 Prozent, wie die Forscher berichten. In gut der Hälfte der Fälle wurde die richtige Diagnose aber immerhin unter den ersten zehn Vorschlägen gelistet.
Etwas besser schnitten die acht Symptomchecker ab, die laut Hersteller mit Systemen der künstlichen Intelligenz arbeiten und die zusätzlich zu den Symptomen mindestens auch Alter und Geschlecht erfragten. Diese Apps gaben die korrekte Diagnose in 46 Prozent aller Tests als ersten Eintrag aus, wie Hill und ihr Team ermittelten. Klare Abzüge gab es dagegen für einige Apps, die eine vorgefertigte Symptomliste zum Anklicken bereitstellten: In diesen Listen fehlten teilweise wichtige Symptome wie Fieber, wie die Forscher feststellten.
Hausmittel gegen akutes Leberversagen
Nach Ansicht der Forscher unterstreicht dies, dass Apps und Websites kein vollwertiger Ersatz für den Rat eines Mediziners sind: „Es mag zwar verlockend sein, mithilfe dieser Tools herauszufinden, was unsere Symptome verursachen könnte“, so Hill. „Aber die meiste Zeit sind die Ergebnisse solcher Apps im besten Falle unzuverlässig und im schlimmsten Falle sogar gefährlich.“
So gab es beispielsweise Apps, die für akutes Leberversagen Hausmittelchen empfahlen oder einen Schlaganfall als „nicht dringlich“ einstuften. Immerhin: Im Großen und Ganzen fielen die Handlungsempfehlungen der Apps etwas treffsicherer aus als die Diagnosen: „Für Notfälle und schwere akute Erkrankungen gaben die Apps in 60 Prozent der Tests den richtigen Rat fürs weitere Vorgehen“, berichtet Hill. „Bei weniger dringlichen Fällen lagen die Apps aber nur noch zu 30 bis 40 Prozent richtig.“
Hilfreich, aber mit Vorsicht zu genießen
Dennoch sehen die Wissenschaftler durchaus einen Nutzen in solchen Symptomcheckern und medizinischen Online-Ratgebern: „Diese Seiten sind zwar kein Ersatz für einen Arztbesuch, aber sie können nützlich sein, wenn man nach einer offiziellen Diagnose mehr Information bekommen möchte“, sagt Hill. Insgesamt sei aber Vorsicht geboten: „Diese Apps sehen einfach nicht das ganze Bild – sie kennen weder unsere Vorgeschichte noch alle Symptome.“ (Medical Journal of Australia, 2020; doi: 10.5694/mja2.50600)
Quelle: Edith Cowan University