Virologie

Wie infektiös ist Vogelgrippe für Säugetiere?

H5N1-Virus wird bei Mäusen und Frettchen über Muttermilch und Atemwege weitergegeben

Symbolbild: drei verschiedene Viren und zugehörige Verlaufskurven ihrer Verbreitung
Die aktuell in Kühen kursierende Variante von H5N1 hat andere Eigenschaften als frühere Stämme. © Eoneren / GettyImages

Erhöhte Pandemiegefahr: Die aktuell in Kühen kursierende Vogelgrippe-Variante des H5N1-Virus kann auch Mäuse und Frettchen infizieren, wie eine neue „Nature“-Studie belegt. Das Virus vermehrt sich demnach unter anderem in den Milchdrüsen und der Lunge dieser Säugetiere und kann von dort über die Milch oder den Atem an andere Tiere weitergegeben werden. Das zeigt auch einen möglichen Infektionsweg auf und zwischen Menschen auf. Die derzeitige Virusvariante birgt somit ein größeres Pandemierisiko als frühere Stämme.

Das aus Asien stammende H5N1-Virus kursiert seit einigen Jahren in verschiedenen Vogelarten und hat bereits Millionen Wildvögel und Nutztiere weltweit getötet. In den vergangenen Jahren haben sich auch gelegentlich einige Säugetierarten infiziert. Im Frühjahr 2024 wurden aus den USA erstmals Milchkühe gemeldet, die sich mit einer hochpathogenen Mutante des Vogelgrippevirus H5N1 infiziert hatten und daher weniger Milch gaben. Das Virus breitete sich innerhalb der Herden schnell aus. Kurz darauf gab es auch vereinzelte Berichte von Menschen, Katzen und Geflügel, die sich über die erkrankten Kühe auf den Farmen mit dem Virus angesteckt hatten.

Wie genau H5N1 die Artsprünge geschafft hat, war bislang unklar. Vermutet wird, dass das Virus über kranke Vögel auf die Kühe und von dort über kontaminiertes Melkgerät oder Kontakt zu infizierten Milchdrüsen auf weitere Kühe, Menschen und andere Tiere übergesprungen sein könnte. Denn unter anderem in der Milch der Kühe wurde das Virus nachgewiesen. Sofern diese pasteurisiert wird, sind die Viruspartikel allerdings nicht infektiös, wie frühere Studien ergeben haben. Als möglich gilt aber auch ein Infektionsweg über die Atmung, da das Virus auch in der Nase der Kühe nachgewiesen wurde.

Wie verhält sich das Virus in anderen Säugetieren?

Ein Team um Amie Eisfeld von der University of Wisconsin-Madison hat nun genauer untersucht, wie sich die aktuelle H5N1-Variante in weiteren Säugetieren verhält. Die Virologen wollten damit auch abschätzen, ob sich das Vogelgrippe-Virus bereits an Säugetiere angepasst hat und wie groß das Risiko für eine weitere Übertragung von Mensch zu Mensch und damit für eine Ausweitung der Pandemie ist.

Dafür verwendeten die Forschenden die Influenza-Viren aus der Milch einer infizierten Kuh aus New Mexico sowie ältere Stämme von H5N1, die bislang nicht in Kühen entdeckt wurden. Sie fütterten verschiedene Versuchstiere mit kontaminierter Milch oder ließen sie virushaltige Flüssigkeit einatmen und untersuchten dann, wie sich die Viren übertragen und vermehren. Zum Einsatz kamen Mäuse und Frettchen, die in der Forschung als gängige Modelltiere für Grippeerkrankungen von Säugetieren verwendet werden.

Übertragung über die Milch am wahrscheinlichsten

Die Analyse ergab, dass sich sowohl die älteren als auch die neueren Versionen der H5N1-Viren auf die untersuchten Säugetiere übertrugen. Die Mäuse und Frettchen steckten sich sowohl über die Milch als auch über die Atemwege an. Anders als die kaum oder keine Symptome zeigenden Kühe wurden die infizierten Tiere krank oder starben. Die Viren breiteten sich dabei im ganzen Körper der Tiere aus. Betroffen waren auch die Lunge sowie die Milchdrüsen und Brustwarzen.

Über die Muttermilch gaben die infizierten Mäuse die Vogelgrippeviren zudem effektiv an ihre Nachkommen weiter, wie die Virologen feststellten. Über die feinen Tröpfchen, die alle Säugetiere ausatmen, wurden die Viren ebenfalls teilweise an andere Versuchstiere weitergegeben. Diese wurden dadurch jedoch nicht schwer krank – möglicherweise, weil bei dieser Art der Übertragung die Viruslast eher gering war, wie die Forschenden berichten.

Eisfeld und ihre Kollegen schließen daraus, dass der wahrscheinlichste und bislang unterschätzte Übertragungsweg des Vogelgrippevirus H5N1 von Säugetier zu Säugetier über die Milchdrüsen und Milch verläuft. Die Atemwege spielen bei der Infektion zwischen Säugetieren hingegen nur eine untergeordnete, aber ebenfalls wichtige Rolle.

H5N1 kann auch menschliche Zellen befallen

Die Virologen testeten anschließend an Zellkulturen, ob die H5N1-Viren aus Kühen wieder zurück auf Vögel überspringen und ob sie den Menschen befallen könnten. Dabei stellten sie fest, dass die Viren tatsächlich an die Sialinsäure-Rezeptoren in den Atemwegen von Vögeln und Menschen binden können. Frühere Stämme von H5N1, die nicht in Kühen gefunden wurden, konnten dies hingegen nicht.

Diese Erkenntnisse legen nahe, dass die aktuell in Kühen in den USA kursierenden H5N1-Varianten ansteckender für Säugetiere einschließlich des Menschen sind als frühere Stämme. Sie haben sich entweder in den Kühen oder bereits zuvor besser an unserer Physiologie angepasst und könnten bei uns auch über die Atemwege infektiös sein. „Das bovine HPAI-Virus H5N1 besitzt Eigenschaften, die eine Infektion und Übertragung bei Säugetieren erleichtern können“, schreiben die Virologen. Diese Entdeckung stellt „einen Paradigmenwechsel dar und erhöht das Pandemiepotenzial dieser Viren“.

Wie wahrscheinlich ist eine Vogelgrippe-Pandemie unter Menschen?

Das Vogelgrippevirus H5N1 ist grundsätzlich auch auf den Menschen übertragbar und kann bei uns zu milden bis schweren Atemwegserkrankungen oder gar zum Tod führen. Bislang war eine Infektion von Menschen durch Vögel oder Kühe jedoch eher selten. Das könnte sich mit der aktuell grassierenden Variante jedoch demnächst ändern, wie die Studie nahelegt. Dann steigt auch die Gefahr einer Weitergabe unter Menschen.

Wie effektiv und schnell eine direkte Übertragung der Vogelgrippe-Variante H5N1 von Mensch zu Mensch und damit eine Pandemie möglich wäre, geht aus der Studie allerdings nicht hervor. Um das herauszufinden, müssen nun Viren aus infizierten Farmarbeitern untersucht werden, so Eisfeld und ihre Kollegen. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07766-6)

Quelle: Nature

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