Medizin

Wie Noroviren den Darm infizieren

Erreger befallen seltenen Zelltyp der Darmschleimhaut

Noroviren verursachen Bauchkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. © CDC

Hartnäckig und unangenehm: Forscher haben herausgefunden, welche Zellen im Darm anfällig für die berüchtigten Noroviren sind. Demnach infizieren die Brechdurchfall-verursachenden Erreger nur einen ganz bestimmten, seltenen Zelltyp der Darmschleimhaut – zumindest bei Mäusen. Diese Erkenntnis könnte nicht nur den Weg für wirksame Therapien ebnen. Sie scheint auch zu erklären, warum die Infektion gerade in Entwicklungsländern oft besonders schwer verläuft, berichten die Autoren im Fachmagazin „Science“.

Noroviren sind extrem ansteckend und können sich rasend schnell ausbreiten. Übertragen werden sie vor allem durch den Menschen: Ausscheidungen, ungewaschene Hände und kontaminierte Lebensmittel sind die häufigsten Verbreitungswege. Insbesondere in Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern oder Pflegeheimen haben die Erreger daher ein leichtes Spiel – überall dort, wo viele Menschen zusammentreffen.

Dort können die Viren schnell eine regelrechte Epidemie auslösen und in kurzer Zeit eine Vielzahl von Patienten außer Gefecht setzen: mit Bauchkrämpfen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Das ist nicht nur unangenehm. Im Extremfall kann eine Norovirus-Infektion sogar tödlich enden. Weltweit sterben jedes Jahr schätzungsweise 200.000 Personen daran – vor allem Ältere und Menschen in Entwicklungsländern.

Rezeptor-Fahndung im Darm

Noroviren sind für Mediziner alte Bekannte. Trotzdem kennen sie bis heute kein geeignetes Behandlungsmittel und wissen kaum etwas darüber, wie die Erreger im Magendarmtrakt agieren. Craig Wilen von der Washington University School of Medicine in St. Louis und seine Kollegen scheinen diesem Geheimnis nun jedoch auf die Spur gekommen zu sein.

Die Forscher hatten herausgefunden, dass Noroviren einen Rezeptor namens CD300lf nutzen, um Zellen zu infizieren. Dieser Rezeptor ist vor allem von Blutstammzellen bekannt – doch wo ist er im Darm zu finden? Das untersuchte das Team am Beispiel von Mäusen mithilfe eines speziellen Fluoreszenzverfahrens, bei dem genau dieser Rezeptor markiert wird.

Seltener Zelltyp im Visier

Ihre Analyse von Millionen von Zellen zeigte: CD300lf kommt auf den normalen Epithelzellen im Darm nicht vor. Stattdessen wird die Struktur nur von einer kleinen Gruppe sogenannter Büschelzellen exprimiert. Dieser Zelltyp ist sowohl bei Mäusen als auch Menschen in der Darmschleimhaut zu finden – er ist nach den fadenförmigen Fortsätzen auf seiner Oberfläche benannt.

Das Überraschende: Die Büschelzellen sind extrem selten. „Wir waren erstaunt, dass die Viren einen so raren Zelltyp befallen und dass die Infektion trotz der geringen Zahl an infizierten Zellen so heftig ausfallen und sich so leicht verbreiten kann“, sagt Wilen. „Bei einer Maus sind zum Beispiel vielleicht nur 100 Zellen befallen – das ist sehr wenig im Vergleich zu anderen Viren wie der Grippe.“

Zusammenhang mit Parasiten

Nun, da die Büschelzellen als Ziel der Noroviren identifiziert sind, erklärt sich auch ein weiteres Phänomen: warum die Infektion in Entwicklungsländern oftmals verhältnismäßig schwer verläuft. Denn Büschelzellen sind bekannt dafür, bei Infektionen mit Parasiten eine wichtige Rolle zu spielen. Wie die Wissenschaftler berichten, vermehren sich diese Zellen bei solchen Infektionen. Ihre Zahl steigt dann um das Fünf- bis Zehnfache an.

Dieser Prozess wird durch bestimmte Interleukine induziert, Botenstoffen des Immunsystems. Experimente offenbarten: Steigt die Zahl dieser Interleukine an, infizieren sich Mäuse häufiger und stärker. So war die Zahl der Viruspartikel in ihrem Kot dann deutlich erhöht. Damit scheint klar: Parasitische Infektionen ermöglichen es Noroviren, sich effizienter zu vermehren – Infektionen, die in Entwicklungsländern weit verbreitet sind.

Ansatz für Therapien?

Diese Erkenntnisse machen künftig womöglich den Weg für wirksame Therapien frei. Impfstoffe oder Medikamente, die auf die Büschelzellen wirken, könnten Wilen und seinen Kollegen zufolge eine gute Strategie im Kampf gegen die Erreger sein. Unter einer Voraussetzung: Es muss sich bestätigen, dass die Noroviren auch beim Menschen nur diesen speziellen Zelltyp befallen. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aar3799)

(AAAS/ Washington University School of Medicine, 13.04.2018 – DAL)

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