Wer viel rotes Fleisch verzehrt, erhöht sein Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Schon früher wurde vermutet, dass dabei die im Fleisch enthaltene organische Verbindung Häm-Eisen eine Rolle spielt. Nun haben Forscher nachgewiesen, dass Häm-Eisen tatsächlich die Darmzellen schädigt, oxidativen Stress auslöst und die Entstehung von Tumoren fördert. Anorganisches Eisen dagegen, das zum Beispiel in pflanzlicher Nahrung enthalten ist, hatte kaum schädigende Effekte.
Darmkrebs zählt zu den drei häufigsten Krebsarten weltweit. Klassischerweise gelten Personen über 50 Jahren als besonders gefährdet. Doch gerade bei Menschen im jungen und mittleren Alter von 20 bis 50 Jahren nehmen die Neuerkrankungen zu. Dies wird mit veränderten Ernährungsgewohnheiten in Zusammenhang gebracht – unter anderem dem übermäßigen Verzehr von rotem Fleisch. Ein hoher Fleischkonsum verändert die Darmflora und kann womöglich auch direkt das Krebsrisiko beeinflussen. Seit 2015 stuft die WHO rotes Fleisch als potenziell krebserregend ein.
Häm-Eisen als Risikofaktor
Forscher um Nina Seiwert von der Technischen Universität Kaiserslautern haben nun die Rolle von Häm-Eisen bei der Krebsentstehung unter die Lupe genommen. Dieser Eisen-Protein-Komplex ist unter anderem ein wichtiger Bestandteil des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin, der Sauerstoff transportiert. Auch in roten Fleischsorten ist der Blutfarbstoff und mit ihm das Häm-Eisen besonders reichlich enthalten. In der menschlichen Ernährung trägt er zur Eisenversorgung bei – zu viel jedoch ist schädlich.
Seiwert und Kollegen haben die Effekte der organischen Eisenverbindung auf gesunde menschliche Darmzellen und entartete Darmkrebszellen in Zellkulturen untersucht. Zudem haben sie die mögliche toxische Wirkung des organischen Häm-Eisens mit den Auswirkungen anorganischer Eisenformen wie Eisenchlorid verglichen.
Unempfindliche Krebszellen
Dabei stellte sich heraus, dass Häm-Eisen in Konzentrationen, wie sie im menschlichen Darm bei fleischhaltiger Ernährung üblich sind, die Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies fördert und Schäden an unserem Erbgut, der DNA, verursacht. „Diese Effekte waren bei den anorganischen Eisenverbindungen nur gering ausgeprägt“, sagt Seiwert. So führte Häm-Eisen, nicht aber das anorganische Eisen, zum Absterben der normalen Darmzellen.
Dieses Ergebnis überprüften die Forscher an sogenannten Organoiden aus gesundem Darmgewebe von Mäusen. „Hierbei handelt es sich quasi um ein Miniorgan, das in Kulturschalen eingebettet in einer Matrix mit speziellem Nährmedium wächst“, erläutert Seiwert. Dabei bestätigte sich, dass das Häm-Eisen die gesunden Darmzellen angreift. Darmkrebszellen hingegen erwiesen sich als unempfindlicher und überlebten trotz der Schäden.
Abbau-Enzym mit Schutzwirkung
Was dabei im Einzelnen in den Darmzellen passiert, fanden die Wissenschaftler durch ergänzende Analysen auf zellulärer Ebene heraus. Demnach aktiviert Häm-Eisen einen zellulären Sensor für oxidativen Stress. Dadurch produzieren Darmzellen das Enzym Hämoxygenase (HO-1), das im Eisenstoffwechsel dafür verantwortlich ist, Häm-Eisen zu anorganischem Eisen und weiteren Produkten abzubauen. So macht es das Eisen aus der Nahrung für unseren Körper verfügbar und verringert gleichzeitig den Gehalt des Häm-Eisens in den Darmzellen.
Damit erfüllt dieses Enzym eine Schutzfunktion für die Zellen, wie die Forscher zeigen konnten. Hemmten sie die Produktion der Hämoxygenase, stieg die Konzentration reaktiver Sauerstoffspezies in den Darmzellen stark an, was zu vermehrten oxidativen DNA-Schäden und schlussendlich dem Zelltod führte. „Zusammengenommen illustrieren diese Befunde, dass freies Häm-Eisen in Zellen toxisch wirkt und HO-1 eine ganz wichtige Schutzfunktion einnimmt“, sagt Seiwerts Kollege Jörg Fahrer.
Allerdings scheint die Schutzfunktion des Enzyms bei einem Zuviel an Häm-Eisen nicht auszureichen, wie die Tests mit normalen Darmzellen demonstrierten. „Darmkrebszellen waren allgemein weniger anfällig für die schädlichen Effekte des Häm-Eisens. Das könnte das Wachstum von Tumorzellen im Darm begünstigen und somit zur Entstehung von Darmkrebs beitragen“, schreiben die Forscher in ihrer Veröffentlichung. (Cell Death and Disease, 2020, doi: 10.1038/s41419-020-02950-8).
Quelle: Technische Universität Kaiserslautern