Gemeinsam im Flow: Wenn Teams engagiert an einer Aufgabe zusammenarbeiten, können sie einen besonders harmonischen und effizienten Zustand erreichen – den Team-Flow. Was dabei im Gehirn passiert, haben Forscher erstmals sichtbar gemacht: Demmach synchronisiert sich im Team-Flow die Hirnaktivität und Informationen können besonders gut verarbeitet werden. Diese Erkenntnisse könnten dabei helfen, Teamleistungen vorherzusagen und zu verbessern.
Wenn sich eine Person ganz auf eine Tätigkeit konzentriert, dabei alles um sich herum vergisst und die Zeit wie um Flug zu vergehen scheint, spricht man von Flow-Erleben. Die Aufgaben gehen dabei mühelos von der Hand und sind in sich befriedigend. Eine besondere Qualität erreicht dieses Erlebnis, wenn es in Teams auftritt – etwa bei Sportlern, Musikern, Computerspielern oder professionellen Arbeitsteams. Da es schwierig ist, einen solchen Zustand im Labor zu reproduzieren, waren die neuronalen Grundlagen des Team-Flows bislang allerdings unbekannt.
Videospiel ermöglicht Flow im Labor
Forscher um Mohammad Shehata vom California Institute of Technology in Pasadena haben nun erstmals gezeigt, was beim Team-Flow im Gehirn passiert. Dazu ließen sie Zweierteams ein Musikvideospiel spielen und maßen währenddessen per EEG ihre Hirnaktivität. Anschließend befragten sie die Teilnehmer zu ihrem persönlichen Flow-Erleben und glichen die Antworten mit den Hirnstromdaten sowie mit der Leistung im Spiel ab.
„Wir nutzten das kommerziell erhältliche Musik-Rhythmus-Spiel O2Jam U“, berichten die Forscher. Dabei spielen die Nutzer auf einem Tablet ein Musikstück mit, indem sie zum richtigen Zeitpunkt Tasten am unteren Ende des Bildschirms drücken. Visuelle Hinweise in Form von Balken, die sich auf dem Bildschirm von oben nach unten bewegen, zeigen an, wann und wie lange welche Taste gedrückt werden muss. Die Forscher baten die Probanden, das Spiel gemeinsam zu spielen, wobei jeder für einen festgelegten Tastenbereich zuständig war.
Flow + Team = Team-Flow?
„Das positive subjektive Erleben von Team-Flow ist der alltäglichen sozialen Interaktion oder dem Erleben von individuellem Flow überlegen“, erläutern die Forscher. „Eine vereinfachende Annahme war, dass der Team-Flow eine einfache Kombination aus dem Flow-Zustand und dem sozialen Zustand ist.“
Um diese Annahme zu überprüfen, variierten die Forscher den Versuchsaufbau so, dass sie entweder Flow oder Teamerleben unterbanden: In einigen Versuchen trennten sie die Teamkollegen durch eine Trennwand voneinander, sodass sie sich während des gemeinsamen Spielens nicht sehen konnten. Dieser Aufbau ermöglichte einen Solo-Flow, unterband aber das Team-Erlebnis. In anderen Versuchen veränderten die Forscher die abgespielte Musik so, dass sie nicht mehr zu dem passte, was die Probanden auf dem Bildschirm drückten. Auf diese Weise war zwar Teamarbeit möglich, ein Flow-Zustand konnte sich aber nicht einstellen.
Einzigartige neuronale Signatur
Das Ergebnis: Obwohl die Leistung in allen drei Versuchsvarianten ähnlich war, fühlten sich die Probanden in der Team-Flow-Variante am wohlsten. „Wie erwartet bewerteten die Probanden ihr Team-Flow-Erleben deutlich höher, wenn sie den Partner sehen konnten und die Musik passte“, so die Forscher. „Bei unpassender Musik bewerteten sie das Flow-Erleben geringer, bei fehlendem Sichtkontakt das Teamgefühl.“
Diese subjektiven Empfindungen spiegelten sich auch im EEG: Wenn die Probanden ein Gefühl von Team-Flow erlebten, nahmen die Beta- und Gamma-Wellen in ihrem Gehirn zu. Diese Hirnwellen sind mit Aufmerksamkeit, Informationsverarbeitung und Konzentration assoziiert. Eine genaue Analyse der beteiligten Hirnregionen ergab, dass beim Team-Flow insbesondere der linke mittlere temporale Kortex aktiviert ist und dabei Informationen aus Regionen verarbeitet, die mit Solo-Flow oder Teamgefühl in Verbindung gebracht werden.
Hirnaktivität synchronisiert
„Die Ergebnisse liefern den ersten neuronalen Beweis dafür, dass das Flow-Erlebnis im Team ein qualitativ anderer Gehirnzustand ist, der sich vom Flow- oder sozialen Zustand unterscheidet“, schreiben die Forscher. „Mit anderen Worten, der Team-Flow-Zustand resultiert nicht aus einer einfachen Kombination des Flow- und des sozialen Zustands, sondern hat seine eigene neuronale Signatur.“
Zudem stellten Shehata und seine Kollegen fest, dass sich die Gehirnwellen der Teammitglieder während des Team-Flows synchronisierten. „Die Verbesserung der Informationsverarbeitung und der neuronalen Synchronität könnte die neurokognitive Grundlage für die überlegene subjektive Erfahrung des Team-Flows sein“, so die Forscher.
Die Forscher weisen darauf hin, dass sich die Ergebnisse ihrer Pilotstudie nicht ohne weiteres auf die Gesamtbevölkerung oder auf andere Tätigkeitsbereiche übertragen lassen. In zukünftigen Studien wollen sie ihr Verständnis des Team-Flows deshalb erweitern. Ein Ziel könnte dabei sein, Teamleistungen anhand von EEG-Daten vorherzusagen und zu verbessern und so womöglich effektivere Teams zu bilden. (eNeuro, 2021, doi: 10.1523/ENEURO.0133-21.2021)
Quelle: Toyohashi University of Technology