Globale Gefahr: Eine neue Variante des Vogelgrippe-Virus H5N1 breitet sich rasant weltweit aus. Die für Vögel hochpathogene Virusmutante hat allein im letzten Jahr den Tod von mehr als 15 Millionen Vögeln weltweit verursacht. Nachdem zunächst vor allem Asien, Europa und Afrika betroffen waren, hat H5N1 jetzt auch Nordamerika erreicht. Bisher scheint eine Übertragung auf Menschen zwar die Ausnahme zu sein, dennoch birgt die Vogel-Pandemie das Risiko eines Artsprungs.
Das Influenza-Virus sorgt nicht nur für die alljährlichen Grippewellen beim Menschen – auch unter Vögeln grassieren zahlreiche, oft tödliche Grippeviren. Vor allem in Asien entstehen durch die Massentierhaltung von Geflügel immer wieder neue Vogelgrippe-Varianten, die dann über Zugvögel bis nach Europa und darüber hinaus verbreitet werden. Vor 2014 sorgte weltweit vor allem der Stamm H5N1 für Millionen Todesfälle unter Vögeln, darauf folgte H5N8 und in Asien die Variante H7N9.
Bedrohlich sind die Vogelgrippe-Viren jedoch nicht nur für die Geflügel- und Wildvogelbestände weltweit – auch für den Menschen könne sie zur Gefahr werden. Denn gerade das Influenzavirus ist dafür bekannt, relativ leicht den Artsprung vom Tier zum Menschen vollziehen zu können. Schon mehrere große Grippe-Pandemien hatten ihren Ursprung in Vogelviren, auch die Pandemie von 1918.
„Aktuelle Vogelgrippewelle ist beispiellos“
Jetzt geht erneut eine Vogelgrippe um: Seit 2021 grassiert ein neuer, hochpathogener Stamm des H5N1-Influenzavirus in der Vogelwelt. Diese Virusmutante ist ein Abkömmling der schon vor einigen Jahren stark verbreiteten H5N1-Influenza, scheint aber noch ansteckender und leicht verändert zu sein. Seit Ende 2021 hat die aktuelle Vogelgrippe-Form schon mehr als 15 Millionen Todesopfer unter Nutzgeflügel und Wildvögeln gefordert.
„Die aktuelle Welle der Vogelgrippe H5N1 ist beispiellos in ihrer rasanten Ausbreitung und der extrem hohen Frequenz von Ausbrüchen in Geflügel und Wildvögeln“, konstatieren Michele Wille und Ian Barr vom Influenzaforschungszentrum der Weltgesundheitsorganisation WHO in Melbourne. Zudem ist dieses Virus anders als frühere Vogelgrippeformen, inzwischen auch nach Nordamerika eingeschleppt worden und ist damit rund um den Globus aktiv.
Ansteckender und pathogener als frühere H5-Varianten
Bisher ist unklar, wo und wie die aktuelle H5N1-Variante entstanden ist. Auch welche genetischen Veränderungen diese Variante von der ursprünglichen H5N1-Form unterscheidet, ist noch nicht bekannt. Klar scheint aber, dass sie deutlich ansteckender und pathogener als die in den letzten Jahren vor allem in Asien dominierenden Influenza-Stämme H5N6 und H5N8. „Dies hat es H5N1 ermöglicht, andere H5Nx-Varianten schnell zu verdrängen“, berichten die Forschenden.
Allein in Europa gab es seit Oktober 2021 mehr als 2.800 offiziell gemeldete Ausbrüche von H5N1. In Großbritannien mussten schon Millionen Hühner und anderes Nutzgeflügel gekeult werden. Unter Wildvögeln hat H5N1 ebenfalls bereits große Verluste verursacht. In den Niederlanden starben 2021 hunderte als gefährdet geltende Knuttstrandläufer, in Israel verendeten 10.000 Kraniche und auf Spitzbergen starben rund zehn Prozent der dortigen Population von Weißwangengänsen. „Solche Massensterben bei Wildvögeln sind auch für den Artenschutz Grund zur Sorge“, schreiben Wille und Barr.
Wie groß ist die Gefahr für den Menschen?
Bedenklich ist die Ausbreitung von H5N1 auch deshalb, weil H5N1 auch auf Menschen überspringen kann. Von 2003 bis 2016 verursachte diese Influenza-Form laut WHO 863 menschliche Infektionsfälle und 456 Tote. Diese Vogelgrippe-Stamm war demnach auch beim Menschen hochpathogen und sorgte für schwere Verläufe. „Damit ist dieser Stamm eine anhaltende potenzielle Bedrohung auch für den Menschen“, so Wille und Barr.
Allerdings: Bisher sind alle bekannten Formen von H5Nx-Viren noch nicht gut genug an den Menschen angepasst, um zum Pandemie-Erreger auch in der menschlichen Bevölkerung zu werden. Alle bekannten Infektionen wurden durch direkten Kontakt zwischen Menschen und Vögeln verursacht, eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung scheint noch nicht möglich. Von der neuen Form von H5N1 ist zudem erst ein menschlicher Fall bekannt. Ein 79-jäjhriger Mann in Großbritannien hatte sich durch Kontakt mit Enten angesteckt.
Potenzielles Pandemie-Risiko besteht
Dennoch sei dies kein Grund zur Entwarnung: „Obwohl hochpathogene H5N1- und H5Nx-Grippeviren zurzeit eine geringe Bedrohung für Menschen sind, hat diese Vogelgrippewelle erst begonnen und auch ein potenzielles Pandemie-Risiko muss ernstgenommen werden“, betonen Wille und Barr. Die WHO hat bereits damit begonnen, den neuen H5N1-Stamm im Labor zu kultivieren, um ihn näher zu erforschen und bei Bedarf daraus einen Impfstoff zu entwickeln. (Science, 2022; doi: 10.1126/science.abo1232)
Quelle: American Association for the Advancement of Science (AAAS)