Luftige Reise: Mehrere Arten von Bakterien und Pilzen, darunter einige menschliche Krankheitserreger, können mit Luftströmungen in der Erdatmosphäre tausende Kilometer weit transportiert werden, wie eine Studie zeigt. Trotz der lebensfeindlichen Bedingungen auf dieser Reise bleiben die Mikroben dabei lebensfähig und könnten nach dem Herabsinken auf die Erde Menschen infizieren. Manche der Erreger sind sogar resistent gegen Antibiotika.
Auf der Erde und in der Luft nahe der Erdoberfläche tummeln sich unzählige Mikroorganismen. Dort finden sie ausreichend Wasser und gute Lebensbedingungen. In der höheren Atmosphäre ist die Luft allerdings sehr trocken. Hinzu kommt die hohe UV-Strahlung. In dieser Umgebung können die meisten Mikroben nicht überleben. Es gibt jedoch Hinweise, dass sich einige robuste Luftkeime mit den Staubstürmen in der Atmosphäre verbreiten können. Wie viele Mikroben das sind und wie weit sie dabei kommen, war jedoch unklar.
Luftproben aus dem Himmel über Japan
Ein Team um Xavier Rodó vom Katalanischen Institut für Forschung und fortgeschrittene Studien (ICREA) in Barcelona hat nun untersucht, wie viele mikrobielle Überlebenskünstler den harschen Bedingungen in der Atmosphäre trotzen können. Die Biologen untersuchten die Mikroben in den atmosphärischen Winden knapp über der sogenannten planetaren Grenzschicht (PBL) – dem oberflächennahen, 1,5 bis zwei Kilometer hinaufreichenden Teil der Erdatmosphäre.
Dafür sammelten Rodó und sein Team mit Leichtflugzeugen insgesamt 22 Aerosolproben aus der Troposphäre in 1.000 bis 3.000 Metern Höhe über Japan und verglichen diese mit Aerosolproben, die am selben Tag nahe am Boden gesammelt wurden. Die Biologen extrahierten aus den Proben die DNA und analysierten sie zur Bestimmung der Mikroben. Zudem kultivierten sie die in den Luftproben enthaltenen Mikroorganismen im Labor.
Überraschende mikrobielle Vielfalt
Dabei zeigte sich, dass mit der Luft deutlich mehr Mikroben in die Atmosphäre gelangen als gedacht. Anhand der DNA identifizierten Rodó und seine Kollegen eine hohe Vielfalt an Mikroorganismen, darunter 266 Arten von Pilzen und 305 Arten von Bakterien. Der Großteil dieser „Luftdrifter“ waren für Mensch und Tier harmlose Arten. Doch das Team identifizierte unter den atmosphärischen Mikroben auch mehrere Erreger, die Krankheiten bei Menschen, Tiere oder Pflanzen auslösen können, beispielsweise E. coli, Streptokokken, Staphylokokken, Clostridien und Candida-Arten.
Einige dieser Mikroben waren nach ihrem Aufenthalt in der Atmosphäre sogar noch lebensfähig – darunter mehrere multiresistente Stämme, die durch ihre Gene antibiotikaresistent sind, wie das Team berichtet.
Über tausende Kilometer verfrachtet
Anhand der Zusammensetzung der Minerale in den Aerosolproben und der Wetterbedingungen vor und während der Probenentnahme schließen die Biologen zudem, dass die Luftmasse und darin enthaltenen Mikroben wahrscheinlich aus einem großen landwirtschaftlichen Gebiet im Nordosten Chinas stammten, das etwa 2.000 Kilometer von Japan entfernt ist. Die Mikroorganismen wurden demnach mit der Luft tausende Kilometer weit transportiert.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Aerosole, die reich an Abwässern, Pestiziden und Düngemittelabfällen sind, mit Luftströmungen in die Atmosphäre gelangen und so diverse Krankheitserreger und Antibiotika-resistente Bakterien über weite Strecken verbreiten können, berichten Rodó und seine Kollegen. „Dies wäre eine neuartige Möglichkeit, sowohl lebensfähige menschliche Krankheitserreger als auch Resistenzgene über entfernte geografische Regionen zu verteilen.“ Das könnte erklären, warum es multiresistente Keime selbst an abgelegenen Orten wie der Arktis gibt.
Erster Nachweis für Ferntransport bakterieller Erreger
Von Viren war bereits bekannt, dass sie sich über die Atmosphäre verteilen. Es ist jedoch das erste Mal, dass eine solch weite Reise auch für mikrobielle Krankheitserreger dokumentiert wurde. Diese können demnach nach dem Herabsinken auch weit von ihrem Ursprung entfernt noch Menschen infizieren. Insbesondere für Personen mit schwachem Immunsystem und Neugeborene könnte das gefährlich sein, schreibt das Team. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2404191121)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)