Den Übeltätern auf der Spur: Forschende haben die Zellen identifiziert, aus denen sich bei Frauen mit genetisch bedingtem Brustkrebs die Tumore entwickeln. Demnach beginnt der Krebs in einem bestimmten Typ von Brustdrüsen-Vorläuferzellen. Die gute Nachricht: Versuche an Mäusen zeigen, dass ein bereits zugelassenes Krebsmedikament diese Tumorbildung hemmt. Aufgrund seiner Nebenwirkungen ist das Medikament zwar für eine vorbeugende Therapie nicht geeignet. Die Erkenntnisse liefern jedoch einen Ansatz für neue Mittel.
Tumorerkrankungen wie Brustkrebs, Darmkrebs und Lungenkrebs treffen immer häufiger auch jüngere Menschen. Neben dem Lebensstil sind für Brustkrebs mehrere erbliche Mutationen bekannt, die bei betroffenen Frauen dazu führen, dass sie mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkranken – oft bereits in jungen Jahren.
Was passiert bei der BRCA2-Mutation?
Einer dieser genetischen Risikofaktoren ist eine Mutation im BRCA2-Gen. Dieses Gen ist normalerweise daran beteiligt, DNA-Schäden zu verhindern und so der Tumorentstehung vorzubeugen. Die Mutation führt allerdings dazu, dass es diese Aufgabe nicht ausreichend wahrnimmt. Um dem erhöhten Brustkrebsrisiko zu begegnen, wird Betroffenen geraten, engmaschige Früherkennungsuntersuchungen wahrzunehmen oder sich die Brüste vorsorglich entfernen zu lassen.
Wie genau sich die BRCA2-Mutation allerdings im Brustgewebe auswirkt und welche Prozesse bereits vor der Entstehung eines Tumors ablaufen, war bislang kaum bekannt. Ein Team um Rachel Joyce von der University of Melbourne in Australien ist dieser Frage nun auf den Grund gegangen. Dazu untersuchte das Team Proben aus dem Brustgewebe von gesunden Frauen mit einem fehlerhaften BRCA2-Gen und verglichen diese mit Gewebeproben von gleichaltrigen Frauen ohne die Mutation.
Veränderte Zellen im Drüsengewebe
Dabei fiel den Forschenden eine Gruppe bestimmter Brustdrüsenzellen auf, die sich bei Frauen mit der BRCA2-Mutation verstärkt teilten. „Da wir diese abnormalen Zellen in den meisten Gewebeproben von Frauen mit der BRCA2-Mutation fanden, nicht aber in den Proben von Frauen ohne diese Mutation, glauben wir, dass dies die Ursprungszellen sein könnten, aus denen sich bei Trägerinnen der Mutation der Brustkrebs entwickeln kann“, sagt Joyce.
Bei den entdeckten Zellen handelt es sich um sogenannte luminale Vorläuferzellen. Ihre Produktion bestimmter Proteine, die unter anderem für das Wachstum wichtig sind, ist verändert. Das begünstigt einerseits die Entstehung von Krebs, liefert andererseits aber auch einen möglichen Angriffspunkt. „Die Veränderungen könnten die Zellen anfälliger für bestimmte Therapien machen, die die Entstehung von Brustkrebs verhindern oder verzögern sollen“, sagt Joyce Kollegin Rosa Pascual.
Medikament verzögert Tumorentstehung bei Mäusen
Um diese These zu testen, züchteten die Forschenden Mäuse mit einer genetischen Veränderung, die der BRCA2-Mutation bei Menschen entspricht. Tatsächlich entwickelten diese Tiere unbehandelt bereits in jungem Alter Tumoren. Einigen der Modell-Mäuse verabreichte das Team vorbeugend das Krebsmedikament Everolimus. Dieses richtet sich gegen einen Proteinkomplex namens mTORC1, der unter anderem das Wachstum, das Überleben und den Stoffwechsel von Zellen reguliert und im Brustgewebe von BRCA2-Trägerinnen überaktiv ist.
Das Ergebnis: „Die Experimente zeigten eine signifikante Verzögerung des Tumorausbruchs in der Everolimus-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe“, berichtet das Forschungsteam. Während Mäuse ohne das Medikament nach durchschnittlich 149 Tagen Tumoren entwickelten, blieben behandelte Mäuse mehr als zwei Monate länger tumorfrei.
Ansatz für präventive Therapien
Aus Sicht der Forschenden ist die medikamentöse Hemmung von mTORC1 somit eine vielversprechende Präventionsstrategie. Für Frauen mit einer BRCA2-Mutation könnte sie langfristig womöglich eine Alternative zur Brustamputation darstellen. Auch wenn Everolimus für Patientinnen mit rezidivierendem Brustkrebs bereits zugelassen wurde, ist es bis zu einer vorbeugenden Behandlung aber noch ein weiter Weg.
„Durch die Nebenwirkungen von Everolimus ist seine Eignung für eine vorbeugende Behandlung eingeschränkt“, sagt Joyce Kollege Geoffrey Lindemann. „Unser Team möchte weiter erforschen, welche spezifischen Teile der Proteinverarbeitung gestört sind, und diese Informationen nutzen, um selektivere und verträglichere Präventivbehandlungen zu entwickeln.“ (Nature Cell Biology, 2024, doi: 10.1038/s41556-023-01315-5)
Quelle: Walter and Eliza Hall Institute