Ob Mumbai, Nairobi oder Jakarta: Sie gehören zu den Städten, die zum Ausgangspunkt einer nächsten Pandemie werden könnten, wie nun eine Studie enthüllt. Denn sie liegen in Gebieten mit hohem Risiko einer Tier-Mensch-Übertragung neuer Erreger, haben ein eher schwaches Gesundheitssystem und sind noch dazu über Flughäfen gut an globale Verkehrsströme angeschlossen. Rund 20 Prozent aller gut vernetzten Metropolen weltweit könnten solche Hotspots sein.
Die Corona-Pandemie ist nicht die erste weltweite Seuche, die durch neue Erreger aus dem Tierreich ausgelöst wurde – und sie wird nicht die letzte sein. Denn mit dem immer weiteren Vordringen des Menschen in die Natur, der Zerstörung von Lebensräumen und der massenhaften Nutztierhaltung kommt es vermehrt zu Kontakten zwischen Mensch und Tier. Das wiederum schafft die Voraussetzung für einen Artsprung von Viren und anderen Erregern auf den Menschen.
Studien zeigen, dass bestimmte Tiergruppen dabei besonders effektive Erreger-Reservoire und Überträger sind, dazu gehören Fledermäuse, Nagetiere und Vögel.
Drei-Stufen-Rezept für eine Pandemie
Doch damit aus einem lokalen Ausbruch eine Pandemie wird, müssen zwei weitere Faktoren hinzukommen, wie Michael Walsh von der University of Sydney und seine Kollegen erklären: Ein neuer Erreger muss sich zunächst unerkannt in der lokalen Population etablieren können und dann effektiv und schnell in andere Regionen weiterverbreitet werden – beispielsweise durch Flug- oder Schiffsverbindungen.
Um herauszufinden, wo diese Voraussetzungen erfüllt werden, haben Walsh und sein Team Städte und Regionen der Erde in drei Stufen klassifiziert. Zunächst identifizierten sie die Gegenden, in denen besonders viele potenzielle Reservoirtiere leben und in denen Tiere und Menschen am engsten aufeinandertreffen. Die Zonen, in denen es zu häufigen Zweierkontakten von Wildtieren mit Nutztieren, Wildtieren mit Menschen oder Nutztieren mit Menschen kommt, stuften sie als gelbe Zonen ein. Diejenigen, in denen alle drei in Kontakt stehen, als orangene Zonen.
Im nächsten Schritt ermittelten sie, wo solche Kontaktzonen mit einem schlechten Gesundheitssystem zusammentreffen. Denn dies mindert die Fähigkeit, Infektionen schnell zu erkennen und Übertragungen einzudämmen. Als letztes stellten die Forscher fest, welche Städte in diesen roten Zonen gut an den globalen Flugverkehr angeschlossen sind – und dadurch das Risiko für eine schnelle Verbreitung einer neuen Seuche erhöhen.
Orange Zonen auch in Europa
Das Ergebnis: 40 Prozent der weltweit am besten vernetzten Städte liegen nahe Zonen mit intensiven Wildtier-Nutztier-Mensch-Kontakten – den gelben und orangenen Zonen. Darunter sind alle großen Städte im Süden Chinas und im Westen Indiens, aber auch Mexiko-Stadt und die Küstenmetropolen Südamerikas. In Europa liegen ebenfalls einige Großstädte in der orangenen Zone. In Deutschland gehören Frankfurt am Main und Stuttgart dazu.
Rund 14 bis 20 Prozent der Städte in diesen Zonen intensiver Mensch-Tier-Kontakte haben darüber hinaus ein eher schlechtes Gesundheitssystem. Dies treffe vor allem für viele Verkehrsknotenpunkte in Südasien, Südostasien und Afrika südlich der Sahara zu, berichten Walsh und sein Team – von Mumbai und Delhi über Jakarta und Pnom Penh bis Nairobi und Lagos. „Das demonstriert, wie riskant viele der globalen Transportknoten positioniert sind“, sagen die Forscher.
„Kollektive Aufmerksamkeit erforderlich“
Zwar betonen die Wissenschaftler, dass sie damit nicht vorhersagen wollen, wo demnächst eine Pandemie ausbricht. „Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass es viele Städte gibt, die eng ins globale Verkehrsnetz eingebunden sind und die nah an Risikozonen für einen folgenschweren Artsprung eines Erregers vom Tier zum Mensch liegen“, konstatieren Walsh und sein Team. „Diese Tatsache ist etwas, das dringend unsere kollektive Aufmerksamkeit wecken sollte.“
Nach Ansicht der Forscher könnte ihre Kartierung nun auch dabei helfen, die Risiken für Ausbrüche und deren Ausbreitung gezielter zu verringern. „Zum Beispiel könnte eine Vorbeugungsmaßnahme darin bestehen, Barrieren zwischen Hochrisiko-Übertragungszonen und den in nahen Städten liegenden Verkehrsknotenpunkten zu schaffen“, erklären sie. Das könnte erreicht werden, indem die um diese Städte herumliegenden Gebiete und auch Nutztierhaltungen intensiver auf mögliche neue Krankheiten hin überwacht werden.
„Aufbauend auf unseren Informationen können gezielt Maßnahmen entwickelt werden, die die Struktur der Gesundheitssysteme, die Nutztierhaltung, den Schutz von Wildtier-Habitaten und die Überwachung von globalen Verkehrsknotenpunkten verbessern“, sagt Walsh. (One Health, 2020; doi: 10.1016/j.onehlt.2020.100177)
Quelle: University of Sydney