Virusabwehr aus der Natur: Simpler Zitronensaft wirkt offenbar als Desinfektionsmittel gegen Noroviren. Die Zitronensäure bindet an die Oberfläche dieser Magen-Darm-Erreger und hindert sie daran, in menschliche Körperzellen einzudringen, wie Wissenschaftler nun herausgefunden haben. Etwas Zitronensaft am Essen oder auf den Händen könnte sich daher als einfacher, aber effektiver Infektionsschutz erweisen, berichten die Forscher im Magazin „Virology“.
Noroviren sind äußerst unangenehm: Einige Vertreter dieser Virenfamilie verursachen schwere Magen-Darm-Beschwerden mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Außerdem sind sie äußerst ansteckend und verbreiten sich rasend schnell über ganze Gebäude, wie ein Experiment im Jahr 2014 bewies. So führen die Viren immer wieder zu regelrechten Wellen von Infektionen, besonders in Krankenhäusern, Schulen oder auch auf Kreuzfahrtschiffen.
Fruchtsaft drängt Noroviren zurück
Die Viren verbreiten sich vor allem über kontaminierte Hände und verunreinigte Lebensmittel. Mediziner bezeichnen diesen Übertragungsmodus als „fäkal-oral“. „Daher ist es wichtig, ein sicheres und gesundheitlich unbedenkliches Desinfektionsmittel zur Verfügung zu haben“, erklärt Grant Hansman vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.
Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass Fruchtextrakte wie Orangen- oder Granatapfelsaft die Noroviren teilweise zurückdrängen. Durch Zufall hatte Hansman bereits herausgefunden, dass handelsübliche Zitronensäure an die Proteinhülle der Viren binden kann – genauer gesagt, das Citrat, also das Salz der Zitronensäure. Diesen Zufallsfund verfolgte der Virologe nun weiter.
Weil sich Noroviren nicht in Zellen in der Kulturschale oder in Versuchstieren vermehren lassen, verwendeten die Forscher für ihre Versuche keine intakten Erreger, sondern lediglich die leeren Proteinkapseln der Viren. Diese „virus-ähnlichen Partikel“ haben die gleichen Oberflächeneigenschaften wie echte Viren.
Zitronensäure verändert Virus-Struktur
An diesen Modellviren haben Hansman und Kollegen nun herausgefunden, dass sie durch Citrat aus Zitronensaft oder aus citrathaltigen Desinfektionsmitteln ihre Gestalt verändern. Eine Röntgenstrukturanalyse zeigte, dass das Citrat genau an die Stelle bindet, mit der das Virus bei der Infektion mit den Körperzellen in Kontakt tritt. Diesen Bereich bezeichnen die Mediziner als „Blutgruppen-Antigene“. Sind diese blockiert, gelangt das Virus nicht mehr in die Zelle und ist unschädlich gemacht.
„Vielleicht sind ja die paar Tropfen Zitronensaft, die man üblicherweise auf eine Auster träufelt, eine guter Infektionsschutz“, spekuliert Hansman. Der Virologe schätzt, dass der Saft einer Zitrone ausreichen könnte, um beispielsweise die Hände zu dekontaminieren. Die Forscher wollen nun untersuchen, ob Zitronensäure nicht nur eine Infektion verhindern, sondern auch die Symptome einer bereits eingetretenen Krankheit lindern kann. (Virology, 2015; doi: 10.1016/j.virol.2015.07.009)
(Deutsches Krebsforschungszentrum, 26.08.2015 – AKR)