Zucker statt Low-Carb: Eine spezielle Zuckerart, das Glukosamin, gaukelt dem Körper eine kohlenhydratarme Ernährung vor und hält ihn damit jung. Im Experiment verlängerte der Zucker die Lebensdauer von Mäusen um immerhin zehn Prozent. Das Nahrungsergänzungsmittel könnte auch beim Menschen Gesundheit und Lebensdauer positiv beeinflussen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ erklären.
Maß halten hält jung, das zeigen schon seit längerem Studien mit Fadenwürmern, aber auch Mäusen und Rhesusaffen: Bekommen sie eine Diät mit wenig Zucker und Kohlenhydraten, leben sie länger. Eine solche Diät ein Leben lang durchzuhalten, schafft allerdings kaum jemand. Einfacher wäre es daher, ein Mittel zu finden, dass den Zuckerstoffwechsel im Körper herunterregelt und ihm damit eine geringere Zuckerzufuhr vorgaukelt. Bisherige Versuche dazu funktionierten zwar bei Fadenwürmern, erwiesen sich aber bei Säugetieren als wirkungslos.
Glukosamin im Futter
Sandra Weimer von der Eidgenössische Technischen Hochschule Zürich (ETH) und ihre Kollegen haben nun ein weiteres solches Mittel getestet – und diesmal mit Erfolg. Dabei handelt es sich um Glukosamin, einen Zucker, der im Körper vor allem im Bindegewebe, Knorpel und in der Gelenkflüssigkeit vorkommt. Unter anderem deshalb wird Glukosamin als Nahrungsergänzungsmittel zur Stärkung des Knorpelwachstums und der Gelenke angeboten – mit eher zweifelhafter Wirksamkeit.
In den 1960er Jahren entdeckten Forscher aber einen weiteren Effekt dieses Aminozuckers: Glukosamin verlangsamt den Abbau von Zucker in Körperzellen – und könnte daher ein weiterer Kandidat für lebensverlängernde Zuckerblocker sein. Weimer und ihre Kollegen führten nun einen Versuch mit 146 bereits reichlich betagten Mäusen durch. Die Tiere waren rund 100 Wochen alt, was einem Menschenalter von rund 65 Jahren entspricht, wie die Forscher erklären. Eine Gruppe dieser Mäuse erhielt normales Futter, der anderen wurden zehn Gramm Glukosamin pro Kilogramm daruntergemischt.
Acht Menschenjahre länger
Das Ergebnis: Die natürliche Lebenserwartung der mit Glukosamin gefütterten Tiere stieg im Durchschnitt um knapp zehn Prozent, was einer Steigerung der menschlichen Lebenserwartung um immerhin acht Jahre entsprechen würde. Wie sich zeigte, fraßen diese Mäuse zwar genauso viel wie ihre Artgenossen in der Kontrollgruppe. Ein Abbauprodukt des Glukosamins sorgte aber dafür, dass ihr Blutzuckerspiegel nach dem Fressen nicht so stark anstieg. Das könnte auch dazu beitragen, einer Diabetes vorzubeugen, so die Wissenschaftler.
Und noch einen positiven Nebeneffekt hatte das Glukosamin, wie weitere Untersuchungen zeigten: Die mit Glukosamin gefütterten Mäuse kompensieren offenbar den verminderten Zuckerabbau, indem sie vermehrt Aminosäuren, die Bausteine aus denen Proteine bestehen, zur Energiegewinnung verwenden. Diesen Effekt hat auch eine kohlenhydratarme Ernährung. Das Glukosamin gaukelt demnach dem Körper genau diese Low-Carb-Diät vor – obwohl die Mäuse genauso viele Kohlenhydrate aufnahmen wie immer.
Funktioniert wahrscheinlich auch beim Menschen
Nach Ansicht der Forscher könnte das Glukosamin auch beim Menschen eine solche „Low-Carb“-Diät simulieren – ohne dass wir deswegen unser Essverhalten einschränken müssen. Ist es demnach sinnvoll, das Nahrungsergänzungsmittel Glukosamin auf unseren täglichen Speiseplan zu setzen? „Ich denke, dass einiges dafür spricht“, sagt Studienleiter Michael Ristow von der ETH Zürich. So deuten zwei Kohortenstudien mit mehr als 77.000 Teilnehmern auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Glukosamin-Einnahme und verminderter Sterblichkeit auch beim Menschen hin.
„Anders als bei unseren Mäusen ist dies zwar kein Beweis dafür, dass Glukosamin im Menschen lebensverlängernd wirkt“, sagt Ristow, „aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch.“ Insbesondere Diabetiker sollten vor aber einer Glukosamin-Einnahme Rücksprache mit ihrem Hausarzt halten und in den ersten Wochen vermehrt Blutzuckerkontrollen vornehmen, so die Empfehlung des Ernährungsmediziners. (Nature Communications, 2014; doi: 10.1038/ncomms4563)
(ETH Zürich, 09.04.2014 – NPO)