Boost für Antimaterie-Forschung: Physikern ist es gelungen, eine Laserkühlung für Positronium zu entwickeln – einem exotischen Atom aus einem Elektron und seinem Antimaterie-Gegenpart, dem Positron. Dieses leichte, kurzlebige Gebilde ist die Vorstufe für Antiwasserstoff und ein wichtiger Baustein für die Erforschung der Antimaterie. Die jetzt gelungene Kühlung des Positroniums erhöht die Effizienz der Antiwasserstoff-Produktion und erleichtert die Erforschung der Antimaterie und ihrer Annihilation.
Antimaterie ist der spiegelbildliche Zwilling normaler Materie – und eines der größten Rätsel der Physik. Denn obwohl beim Urknall gleiche Mengen Teilchen und Antiteilchen entstanden sein müssen, gewann die Materie die Oberhand. Bisher konnten Physiker jedoch keinen Symmetriebruch zwischen Antimaterie und Materie finden, der dies erklären würde. Masse-Ladungs-Verhältnis, Magnetverhalten, starke Kernkraft und das Spektrum scheinen identisch zu sein. Auch die Reaktion von Antimaterie auf die Gravitation ist ersten Tests zufolge ähnlich.
Allerdings sind Versuche mit Antimaterie schwierig, weil diese sehr kurzlebig ist und ständig neu erzeugt werden muss. Viele Tests sind zudem nur mit ultrakalten, sich wenig bewegenden Antiatomen möglich. Antiwasserstoff mittels Laserkühlung herunterzukühlen, ist erst 2021 erstmals gelungen.
Positronium – exotischer Verbund aus Teilchen und Antiteilchen
Doch für Positronium stand dies noch aus. Dieses exotische Atom aus einem Elektron und seinem Antiteilchen, dem Positron, ist eine entscheidende Vorstufe für Antiwasserstoff: Um diesen zu erzeugen, wird Positronium in eine Wolke von Antiprotonen geschossen. Dabei geht das Positron zum Antiproton über und bildet mit ihm Antiwasserstoff. Diese Umwandlung ist umso effizienter, je kälter das Positronium ist.
Als Zwitter aus Materie und Antimaterie böte ultrakaltes Positronium zudem die Chance, einige grundlegende Merkmale der Antimaterie näher zu erforschen. „Es ist das perfekte System für Experimente“, erklärt Ruggero Caravita, Sprecher der AEgIS-Kollaboration am Forschungszentrum CERN. Der Haken jedoch: Positronium ist wegen seiner Zwitternatur extrem kurzlebig, seine Komponenten löschen sich schon nach 140 Nanosekunden gegenseitig aus. Hinzu kommt, dass für eine Kühlung Laser im tiefen UV-Bereich nötig sind. Diese gab es jedoch kaum.
Laserkühlung mithilfe von Alexandrit
Jetzt ist es den Physikern der AEgIS-Kollaboration erstmals gelungen, eine Laserkühlung für Positronium zu realisieren. Dafür entwickelten sie zunächst einen passenden Laser, der die Eigenbewegung des exotischen Zwitter-Atoms abbremsen kann. Auf der Suche nach einem Lasermedium, das die passenden Breitband-UV-Pulse erzeugen kann, fiel die Wahl des Teams auf Alexandrit, eine spezielle Variante des seltenen Minerals Chrysoberit.
Um die kurzlebigen Positronium-Teilchen herunterzukühlen, wurden sie in eine Vakuumkammer eingeschleust, die von allen magnetischen und elektrischen Felden abgeschirmt war. Dies sei wichtig, um die Lebensdauer des Positroniums zu erhöhen und weil Magnetfelder eine effektive Kühlung verhindern, erklären die Physiker. Die Positroniumwolke wurde dann mit 70 Nanosekunden kurzen Laserpulsen von 243-Nanometer Wellenlänge beschossen.
Um 200 Grad heruntergekühlt
Das Ergebnis: Den Physikern gelang es mit ihrer Laserkühlung, die Temperatur des Positroniums von umgerechnet 106 Grad Celsius auf minus 103 Grad zu senken. Dies entspricht einer Abkühlung um gut 200 Grad und bringt das Materie-Antimaterie-Zwitterteilchen damit erstmals in den frostig-kalten Bereich. Noch wichtiger jedoch: Durch diese Kühlung verringerte sich die Eigenbewegung der Positronium-Atome erheblich, wie die Physiker berichten.
Das Team der AEgIS-Kollaboration rechnet damit, dass sie die Temperatur des Positroniums durch Optimierung der Methodik noch weiter absenken können. Selbst eine Abkühlung auf nur zehn Grad über dem absoluten Nullpunkt halten sie für möglich. Positiv auch: Unabhängig von den CERN-Forschern hat auch eine zweite Physikergruppe in Japan einen Laser für die Kühlung von Positronium entwickelt.
Chance auch für Bose-Einstein-Kondensat aus Antimaterie
Damit eröffnen sich nun neue Möglichkeiten, Antiwasserstoff herzustellen, aber auch die Eigenheiten von Antimaterie und Positronium genauer zu erforschen. „Die Laserkühlung von Positronium ebnet uns den Weg zu einer ganzen Bandbreite wichtiger Grundlagenstudien, darunter Tests des Äquivalenzprinzips, die Anwendung der Präzisions-Spektroskopie und die Erzeugung eines Bose-Einstein-Kondensats aus Antimaterie“, schreiben die Physiker. In einem solchen Kondensat haben alle Teilchen den gleichen Quantenzustand und verhalten sich deshalb wie ein einziges.
„Ein Bose-Einstein-Kondensat aus Antimaterie wäre ein unglaubliches Werkzeug sowohl für die Grundlagenforschung als auch für Anwendungen“, erklärt AEgIS-Sprecher Caravita. Denn ein solches Kondensat könnte bei seiner Annihilation wie ein Gammalaser wirken und kohärente Gammastrahlung freisetzen. „Damit könnten Forschende sogar in den Atomkern hineinblicken“, so Caravita. (Physical Review Letters, 2024; doi: 10.1103/PhysRevLett.132.083402)
Quelle: CERN