Physik

Antimaterie: Symmetriebruch nachgewiesen

Physiker belegen erstmals Verhaltensunterschiede bei einem Materiebaustein und seinem Antiteilchen

Baryon-Zerfall im LHCb
Physiker haben im Teilchenbeschleuniger LHC erstmals eine eindeutige Asymmetrie beim Verhalten eines Materiebausteins (Λb) und seinem Antimaterie-Gegenpart nachgewiesen. © LHCb Collaboration / arXiv-Preprint, CC-by 4.0

Physik-Meilenstein: Physiker haben erstmals einen Unterschied zwischen Antimaterie und Materie bei einem Baryon nachgewiesen – einem der Bausteine aller Materie. Der signifikante Symmetriebruch zeigte sich bei Zerfällen im Teilchenbeschleuniger LHC am Forschungszentrum CERN. Dabei verhielt sich ein „schwererer Bruder“ des Protons, das sogenannte Beauty-Lambda-Baryon, anders als sein Antimaterie-Gegenpart. Dieser wichtige Durchbruch könnte helfen, das kosmische Antimaterie-Rätsel zu lösen.

Warum dominiert im heutigen Universum die Materie, obwohl beim Urknall gleiche Anteile Materie und Antimaterie entstanden? Physiker vermuten, dass dafür winzige Unterschiede zwischen Teilchen und ihren Gegenparts verantwortlich sind. Aber welche? Alle bisher untersuchten Grundmerkmale wie das Masse-Ladungsverhältnis, die Reaktion auf Gravitation und die starke Kernkraft sowie das Spektrum stimmen offenbar überein.

LHCb-Experiment
Das LHCb-Experiment am Large Hadron Collider (LHC) des CERN ist speziell dafür ausgelegt, Zerfallsprodukte von Teilchen mit schweren Beauty- und Charm-Quarks zu detektieren. © CERN

Verbirgt sich der Unterschied in einer CP-Verletzung?

Erste Indizien für eine Asymmetrie finden sich jedoch bei der CP-Invarianz. Nach dieser sind Antiteilchen zwar gespiegelt und tragen die entgegengesetzte Ladung, müssten sich aber ansonsten genauso verhalten wie normale Materie. Doch dies scheint nur eingeschränkt der Fall, wie Zerfälle in Teilchenbeschleunigern zeigen: Für die schweren Charm-, Strange- und Beauty-Quarks und ihre Antimaterie-Gegenparts haben Physiker signifikante Asymmetrien beim Zerfall nachgewiesen.

Allerdings ließ sich diese Verletzung der CP-Invarianz bisher nur bei Mesonen eindeutig belegen – bei Teilchen aus einem Quark und einem Antiquark. Für die Bausteine der Materie jedoch, die aus drei Quarks bestehenden Baryonen, fehlte dieser Nachweis. Zwar detektierten Physiker am Forschungszentrum CERN im Jahr 2017 erste Hinweise auf einen solchen Symmetriebruch auch bei Baryonen, die Signifikanz reichte für einen echten Nachweis aber (noch) nicht aus.

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Schwerer Bruder des Protons als Testobjekt

Das hat sich nun geändert. Physiker der LHCb-Kollaboration haben jetzt erstmals nachgewiesen, dass es auch bei den Materiebausteinen eine Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie gibt. „Wir benötigten dafür eine Maschine wie den LHC, die genügend Beauty-Quarks und ihre Antiteilchen produzieren kann. Und wir brauchten einen Detektor, der ihre Zerfallsprodukte einfängt“, erklärt Vincenzo Vagnoni, Sprecher der LHCb-Kollaboration am CERN.

Für ihre Fahndung werteten die Physiker Daten des LHCb-Detektors aus, die während der ersten und zweiten Laufzeit des Teilchenbeschleunigers LHC von 2009 bis 2018 gewonnen worden waren. In diesen Daten suchten sie nach den Zerfällen des Beauty-Lambda-Baryons Λb und seiner Antiteilchen. Dabei handelt es sich um eine Art schweren Bruder der Protonen und Neutronen. Wie diese besteht Λb aus drei Quarks, unterscheidet sich aber im dritten dieser Teilchen: Dieses ist bei Λb ein schweres Beauty-Quark, manchmal auch Bottom-Quark genannt.

Typischerweise zerfällt ein Beauty-Lambda Baryon im Beschleuniger nach kurzer Zeit in ein Proton, ein Kaon und ein Pion-Antipion-Paar. Sowohl Kaonen als auch Pionen gehören zu den Mesonen. Die Physiker prüften, ob die Antimaterie-Variante des Λb-Teilchens genauso oft in diese Teilchen zerfällt wie ihr Materie-Gegenstück.

Zerfallskurven im Vergleich
Die beiden Kurven zeigen einen Unterschied in den Zerfallshäufigkeiten für das Λb-Baryon (links) und sein Anteilteilchen. © LHCb Collaboration / arXiv-Preprint, CC-by 4.0

Sie unterscheiden sich doch!

Mit Erfolg: „Die Ergebnisse enthüllen eine signifikante Asymmetrie in den Zerfallsraten des Λb-Baryons und seines Antibaryons“, berichten die Physiker. In den LHCb-Daten zeigte sich ein Unterschied von 2,45 Prozent zwischen den Zerfallshäufigkeiten des Baryons und seines Antiteilchens. „Diese Asymmetrie weicht um 5,2 Standardabweichungen (Sigma) von Null ab“, so das Team. In der Physik gelten fünf Sigma als die Schwelle, ab der eine Beobachtung offiziell als Nachweis und Entdeckung gilt.

„Damit ist dies der erste Nachweis einer CP-Verletzung bei einem Baryon-Zerfall“, konstatieren Vagnoni und seine Kollegen. Dieser Symmetriebruch war in den Daten so robust, dass er sich auch in allen Teilmengen und unter Berücksichtigung möglicher Einflussfaktoren zeigte, wie die Physiker berichten.

Wichtige Hilfe bei Lösung des Antimaterie-Rätsels

Dieser Nachweis ist ein wichtiger Meilenstein für die Physik. Er belegt erstmals, dass sich die Bausteine der Materie in ihrem Verhalten von dem ihrer Antiteilchen unterscheiden. „Die erste Beobachtung einer CP-Verletzung bei Baryonen ebnet nun den Weg für weitere theoretische und experimentelle Untersuchungen zur Natur dieser Asymmetrie“, erklären die Forschenden. Denn wenn man herausfindet, wodurch diese Zerfallsunterschiede entstehen, könnte dies helfen, das Antimaterie-Rätsel zu lösen.

Gleichzeitig wirft die Entdeckung neues Licht auf das Standardmodell und seine Lücken. Denn es deutet auf Prozesse jenseits der bekannten Teilchen und Kräfte hin, schränkt solche Szenarien einer „neuen Physik“ aber gleichzeitig ein. „Je mehr Systeme mit CP-Verletzungen wir beobachten und je präziser die Messungen werden, desto mehr Chancen haben wir, das Standardmodell zu überprüfen und darüber hinausgehende Physik zu finden“, sagt Vagnoni. (Rencontres de Moriond Conference, 2025; Nature submitted, arXiv-Preprint, doi: 10.48550/arXiv.2503.16954)

Quelle: CERN, arXiv-Preprint

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