Neue Sicht auf Licht-Materie-Wechselwirkung: Entgegen gängiger Annahme können angeregte Atome beim Fluoreszieren mehr als nur ein Photon auf einmal abgeben, wie ein Experiment belegt. Dieses wies erstmals Paare gleichzeitig emittierter Lichtteilchen bei einem fluoreszierenden Atom nach. Dies wirft ein buchstäblich neues Licht auf diese Reaktion von Atomen auf Laserlicht und könnte praktischen Nutzen für die Quantenkommunikation haben, wie die Forschenden in „Nature Photonics“ berichten.
Die Reaktion von Atomen auf Strahlung gehört zu den fundamentalen Interaktionen in der Physik – schon Albert Einstein beschäftigte sich mit diesem photoelektrischen Effekt. Wird ein Atom durch Licht angeregt, wechselt es in einen höheren Energiezustand. Beim Zurückfallen in den Grundzustand gibt es die überschüssige Energie in Form eines Photons ab – es fluoresziert. Gängiger Annahme nach kann ein Atom dabei immer nur ein Photon auf einmal emittieren, seine Fluoreszenz enthält daher nie mehrere Photonen zur gleichen Zeit am gleichen Ort.
„Diese Interaktion eines einzelnen Quanten-Emitters mit zwei Energieebenen in einem kohärenten Lichtfeld ist einer der Ecksteine der Quantenoptik und bildet das Herz vieler moderner Experimente und Anwendungen im Quantenbereich“, erklären Luke Masters von der Humboldt-Universität Berlin und seine Kollegen. „Gängiger Interpretation nach kann ein solcher Quanten-Emitter immer nur einzelne Photonen absorbieren und emittieren.“
Ist nur ein Interferenz-Effekt schuld?
Bisher schienen Beobachtungen dies auch zu bestätigen. Doch schon vor rund 40 Jahren stellten Physiker bei genauerer Analyse der physikalischen Gleichungen und Modelle fest, dass es theoretisch auch eine andere Erklärung für die Vereinzelung der beobachteten Fluoreszenz-Photonen gibt. Demnach könnten bei der Reaktion des Atoms auf Laserlicht durchaus mehrere Photonen entstehen. Diese werden jedoch kohärent und nicht kohärent gestreut und können sich dabei durch destruktive Interferenz gegenseitig aufheben – so die Theorie.
Jetzt ist es Masters und seinen Kollegen gelungen, diese Theorie auch experimentell zu beweisen. Für ihr Experiment hielten sie ein einzelnes Rubidium-Atom in einer optisch-magnetischen Falle gefangen und bestrahlten es mit schwachem infrarotem Laserlicht. Dadurch wurde das Atom angeregt und setzte Photonen frei. „Dieses Fluoreszenzlicht kann in einen kohärenten Quantenzustand und eine inkohärente, gestreute Komponente aufgeteilt werden“, erklären die Physiker.
Aus Singles werden Paare
Als die Forschenden den kohärenten Anteil dieser emittierten Photonen mithilfe spezieller Filter entfernten, geschah Überraschendes: Der Einzelphotonen-Strom wandelte sich plötzlich in Paare gleichzeitig emittierter Photonen um. „Hierbei handelt es sich um ein wunderbares Bespiel dafür, wie sehr unsere Intuition versagt, wenn wir versuchen, uns eine Vorstellung von Prozessen auf der mikroskopischen Ebene zu machen“, sagt Seniorautor Jürgen Volz von der Humboldt-Universität.
Denn in unserer Alltagswelt wäre ein solcher Effekt unmöglich: Verbannt man alle grünen Autos von einer Straße, fahren die verbleibenden deshalb nicht plötzlich in Paaren nebeneinander her. Beim fluoreszierenden Atom ist dies jedoch physikalisch erklärbar: „Betrachtet man das unmodifizierte vom Atom emittierte Lichtfeld, wird dieses tatsächlich niemals zwei simultane Photonen enthalten“, erklären die Physiker. Aber entfernt man die Quelle destruktiver Interferenzen, treten Photonenpaare zutage.
Neue Sicht auf Licht-Materie-Wechselwirkung
„Damit liefern unsere Ergebnisse fundamentale Einblicke in die quantenmechanische Interaktion von Licht und Materie“, schreiben Masters und seine Kollegen. Ihr Experiment widerlegt die Annahme, nach der ein einzelnes Atom immer nur ein Photon nach dem anderen streuen kann. Stattdessen sorgen wahrscheinlich erst Interferenzen im gestreuten Licht für die beobachtete Vereinzelung.
„Entgegen der Intuition besteht dann das inkohärent gestreute Licht nur noch aus Paaren simultan gestreuter Photonen“, berichten die Physiker. Diese stehe in starkem Kontrast zur gängigen Annahme und deute darauf hin, dass das Atom möglicherweise zwei verschiedene Mechanismen besitzt, durch die es zwei Photonen gleichzeitig abstrahlen kann.
Praktischer Nutzen für die Quantenkommunikation
Sollte sich dies bestätigen, hätte dies auch einen ganz praktischen Nutzen: „Es handelt sich um weit mehr als nur eine Kuriosität“, sagt Masters‘ Kollege Arno Rauschenbeutel. „Die erzeugten Photonenpaare sind nämlich quantenmechanisch verschränkt. Es gibt zwischen den zwei Photonen also die spukhafte Fernwirkung, an die Einstein nicht glauben wollte und dank derer man zum Beispiel Quantenzustände teleportieren kann.“
Damit könnten sich solche fluoreszierenden Atome dazu eignen, verschränkte Photonenpaare für quantenphysikalische Anwendungen zu erzeugen. „Dass ein einzelnes Atom sich hervorragend als Quelle für solche verschränkten Photonenpaare eignet, hätte bis vor kurzem wohl kaum jemand geglaubt, konstatieren Rauschenbeutel und Volz. Hinzu kommt, dass die Photonenpaare von Natur aus zu den Atomen passen, von denen sie abgestrahlt wurden. Das ermöglicht eine direkte Schnittstelle zwischen den Photonen und atomaren Quanten-Repeatern oder Quantengattern, die für die Quantenkommunikation über große Distanzen erforderlich sind. (Nature Photonics, 2032; doi: 10.1038/s41566-023-01260-7)
Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin