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Chemie

Chemische Moleküle als Mondrian-Bild

Computerprogramm visualisiert die Struktur von Molekülen im Stil des Künstlers Mondrian

Porphyrin als Mondrian
Dieses Farbflächenbild im Stile des Malers Mondrian repräsentiert die Form und Symmetrie eines Porphyrin-Moleküls - und macht so komplexe Daten anschaulicher. © Kingsbury und Senge/ Angewandte Chemie, CC-by 4.0

Chemie als Kunst: Chemiker haben ein Computerprogramm entwickelt, das die Form und Symmetrie von Molekülen als Kunstwerk im Stile des Malers Piet Mondrian darstellt. Die farbigen Flächen des Kunstwerks und ihre Größen repräsentieren dabei jeweils verschiedenen Symmetriebrüche und Verzerrungen der molekularen Struktur. Diese ungewöhnliche Form der Visualisierung macht die Struktur von Molekülen intuitiv erfassbar und kann so neue Einblicke bieten, so das Team.

Chemische Moleküle können nicht nur aus ganz unterschiedlichen Komponenten bestehen, auch ihre Form kann – selbst bei gleicher atomarer Zusammensetzung – auf vielfältige Weise variieren. Die Spanne des molekularen Formenspiels reicht von Ketten, Ringen oder Hohlkugeln bis zu komplexeren Strukturen, die Rotoren, Autos im Nanomaßstab oder winzigen Kränen gleichen. Einige chemische Verbindungen können zudem ihre Form wechseln und je nach äußerem Einfluss umklappen, sich dehnen oder verdrehen.

Die Form eines Moleküls kann daher einiges über seine Eigenschaften und sein Verhalten verraten. Denn sie beeinflusst mit, wie ein Molekül chemisch reagiert und mit welchem Reaktionspartner es sich bevorzugt verbindet. Bei einem Enzym beispielsweise bestimmt meist die Form der sogenannten Bindungstasche, wo und wie es im Zellstoffwechsel aktiv wird. Aber auch physikalische Eigenschaften wie die Lichtbrechung, Leitfähigkeit und andere werden von der Form eines Moleküls geprägt.

Mondrian
Der niederländische Maler Piet Mondrian wollte mit seinen abstrakten Kompositionen ergründen, wie schon kleine Variationen der Elemente die visuelle Balance verändern. Auf ähnliche Weise könnten schon kleine Positionsveränderungen von Atomen und Bindungen in einem chemischen Molekül sein Verhalten beeinflussen. © Mathias Senge/ Trinity College Dublin

Molekülform in Kunst „übersetzt“

„Symmetrie und Form sind essenzielle Aspekte der molekularen Struktur und unserer Interpretation der chemischen Moleküle und ihrer Eigenschaften“, erklärt Seniorautor Mathias Senge vom Trinity College in Dublin und der TU München. „Aber oft sind die Beziehungen zwischen der chemischen Struktur und den verschiedenen beschreibenden Merkmalen schwer zu erfassen.“ Deswegen haben er und sein Kollege Christopher Kingsbury nach einer anschaulichen, intuitiv erfassbaren Methode gesucht, um die Symmetrien eines Moleküls darzustellen.

Das Ergebnis dieser Überlegungen ist eine ungewöhnliche Kopplung von Kunst und Chemie. Kingsbury und Senge entwickelten ein Computerprogramm, das die Symmetrien und Symmetriebrüche von Molekülen in Farbflächen umsetzt – im Stile des niederländischen Malers Piet Mondrian. „Wir haben dabei die dreidimensionalen Symmetrien als Farbblöcke kodiert“, erklärt Senge.

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Symmetriebrüche als Farbwechsel

Ausgangspunkt für das Mondrian-Porträt eines Moleküls sind Daten aus der Röntgenkristallografie, die die Atompositionen und ihre Abstände untereinander verraten. Aus diesen geht die grundlegende Symmetrieform des Moleküls hervor, aber auch, wo einzelne Bindungen oder Molekülteile durch Verdrehung, Stauchung, Dehnung oder andere Abweichungen die Grundform verändern. „Das Ergebnis ist ein Satz Zahlen, der angibt, wie stark die Verzerrung im Hinblick auf symmetrische Merkmale ist“, erklären die Chemiker.

Um nun ein Molekül in ein Mondrian-Bild umzuwandeln, tragen die Chemiker diese Zahlenwerte in einem Diagramm auf, in dem Symmetriebrüche in und außerhalb der Ebene als Achsen in logarithmischem Maßstab repräsentiert sind. „Die vom Molekül stammenden Punktgruppen werden von den großen Farbflächen repräsentiert. Sie sind unterteilt durch die Indikatoren der jeweiligen symmetrischen Verzerrungen“, erklären die Forscher.

Porphyrin-Molekül
Darstellung des Porphyrin-Moleküls CCDC: RONROB im Mondrian-Plot und in zwei gängigen chemischen Darstellungen. © Kingsbury und Senge/ Angewandte Chemie, CC-by 4.0

Porphyrine im Mondrian-Look

Wie die resultierenden Mondrian-Darstellungen aussehen, haben die beiden Chemiker am Beispiel verschiedener Porphyrin-Moleküle ausprobiert. Diese organischen Farbstoffe bestehen aus vier Kohlenwasserstoff-Stickstoff-Ringen – Pyrrol-Ringen – die miteinander wiederum kreisförmig verbunden sind. Je nach Konformation und molekularen Anhängen können diese Moleküle eine stuhl- oder wannenförmige Form annehmen.

Im Mondrian-Plot steht die Farbfläche oben rechts für die Grundsymmetrie des Porphyrins, eine sogenannte D-4-Symmetrie. „Wenn sich das Auge nun nach links oder unten bewegt, überquert es Schwellen, die jeweils neue Verzerrungen durch Verlagerungen außerhalb oder innerhalb der Haupteben des Moleküls anzeigen“, erklären Kingsbury und Senge. Diese werden durch Änderung der Flächenfarbe angezeigt.

Komplexe Daten anschaulich gemacht

Das Resultat sind Bilder, in denen die Farbflächen auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlichem Maße aufgeteilt sind, Die Lage der Brüche zeigt dabei an, wo und in welcher Form die ideale Symmetrie des Moleküls verändert ist. „Komplexe Wissenschaft lässt sich so durch die Linse der Kunst betrachten, was sie zugänglicher macht“, sagt Senge. „Diese Kunst erlaubt es uns, vertraute Moleküle wie die Porphyrine in neuem Licht zu sehen, und hilft uns besser zu verstehen, wie ihre Form und Eigenschaften verknüpft sind.“

Wie die Chemiker erklären, lässt sich ihr Mondrian-Programm auch auf andere Moleküle anwenden. „Man benötigt nur die höchste erreichbare Symmetrie, die 3D-Positionen der Atome und, optional, ein total symmetrisches Molekül zu Vergleichszwecken“, erklären sie. Die resultierenden Bilder könnten dazu beitragen, Chemie und das Wesen der molekularen Symmetrien auch für Laien verständlicher zu machen. Das Team hat ihr Programm zur freien Nutzung ins Netz gestellt. (Angewandte Chemie International Edition, 2024; doi: 10.1002/anie.202403754)

Quelle: Trinity College Dublin

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